Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
an den Knöpfen zu schaffen. Draußen fiel ein dünner Regen, aber ein lichter Streifen am Himmel über Frankreich versprach im Lauf des Tages Wetterbesserung. Ruth hoffte, das würde sich erfüllen, da sie ohne Schirm aus dem Haus gegangen war.
    Der Anstieg die Berthelot Street hinauf fiel ihr schwer. Sie fragte sich, wie lange sie das noch schaffen würde und wie viele Monate oder vielleicht auch nur Wochen ihr blieben, ehe sie die Krankheit für den letzten Countdown ans Bett fesseln würde. Nicht mehr lange, hoffte sie.
    Fast oben, bog sie an der New Street nach rechts in Richtung des Royal Court House, dem Gerichtsgebäude, ab. Hier in der Gegend war Dominic Forrests Kanzlei.
    Als Ruth das Büro betrat, hörte sie, dass der Anwalt eben von einigen Vormittagsterminen zurückgekehrt war. Er könne sie empfangen, wenn es ihr nichts ausmache, eine Viertelstunde zu warten. Er habe noch zwei wichtige Telefonate zu erledigen. Ob sie eine Tasse Kaffee wolle?
    Ruth lehnte ab. Sie setzte sich nicht, weil sie fürchtete, nicht ohne Hilfe wieder aufstehen zu können. Sie nahm eine Ausgabe von Country Life zur Hand und betrachtete die Fotos, ohne sie wirklich zu sehen.
    Nach einer Viertelstunde erschien Mr. Forrest, um sie in sein Büro zu bitten. Sein Gesicht war ernst, als er ihren Namen aussprach, und sie stellte sich vor, er hätte an der Tür gestanden und sie beobachtet und überlegt, wie lang sie noch zu leben hatte. Sie hatte den Eindruck, dass die meisten Leute ihrer Umgebung sie jetzt so betrachteten. Je mehr Mühe sie sich gab, um normal und von der Krankheit unbeeinträchtigt zu wirken, desto mehr schienen die anderen auf sie zu achten, als warteten sie darauf, dass die Lüge plötzlich ans Licht käme.
    In Forrests Büro setzte sie sich, weil sie wusste, wie eigenartig es wirken würde, wenn sie die ganze Zeit stehen bliebe. Forrest fragte, ob es sie störe, wenn er einen Kaffee trinke...? Er sei schon seit den frühen Morgenstunden auf den Beinen und brauche jetzt einen kleinen Koffeinstoß. Ob sie nicht wenigstens eine Scheibe Gâche nehme?
    Danke, nein, sagte Ruth, sie habe gerade im Admiral de Saumarez Inn einen Kaffee getrunken. Doch sie wartete, bis der Anwalt den Kaffee getrunken und das Brot gegessen hatte, ehe sie ihm den Grund ihres Besuchs erklärte.
    Sie berichtete ihm von der Verwirrung über Guys Testament. Sie habe ja, wie Mr. Forrest wisse, alle früheren Testamente ihres Bruders gekannt, und es habe sie einigermaßen erschüttert, von den Änderungen zu hören, die er vorgenommen hatte: nichts für Anaïs Abbott und ihre Kinder, das Kriegsmuseum vergessen, die Duffys nicht bedacht. Und zu sehen, dass Guy seinen eigenen Kindern weniger hinterlassen hatte als seinen zwei... Sie suchte nach einem Wort und entschied sich für einheimische Schützlinge... Die Situation sei wirklich äußerst verwirrend.
    Dominic Forrest nickte mit ernster Miene. Es habe ihn schon gewundert, bekannte er, das Testament im Beisein von Personen zu verlesen, die nicht zu den Begünstigten gehörten. Das sei irregulär gewesen - nun, eine Testamentsverlesung dieser Art zur heutigen Zeit sei überhaupt etwas irregulär, nicht wahr -, aber er habe geglaubt, Ruth wolle sich in einer schweren Zeit mit Freunden und von ihr geschätzten Menschen umgeben. Nun sei ihm klar, dass Ruth von ihrem Bruder bezüglich seines letzten Testaments im Unklaren gelassen worden sei, und das erkläre auch die merkwürdige Situation bei dieser Testamentsverlesung.
    »Ich habe mich schon gewundert«, sagte er wieder, »als Sie an dem Tag, an dem er das Dokument unterzeichnete, nicht mitkamen. Ich dachte, Sie fühlten sich vielleicht nicht wohl, aber ich habe damals nicht gefragt. Weil...« Er zuckte mit den Schultern. Sein Gesicht drückte Mitleid und Verlegenheit gleichzeitig aus. Er weiß es auch, dachte Ruth. Also hatte Guy es wahrscheinlich auch gewusst. Aber wie die meisten Leute wusste er nicht, was er sagen sollte. Tut mir Leid, dass Sie sterben, wäre zu derb gewesen.
    »Er hat mich vorher immer eingeweiht«, sagte Ruth. »Bei jedem Testament. Jedes Mal. Ich versuche zu verstehen, warum er diese letzte Version vor mir geheim gehalten hat.«
    »Vielleicht glaubte er, Sie würden sich darüber aufregen«, sagte Forrest. »Vielleicht wusste er, dass Ihnen die Änderungen nicht recht sein würden, da er einen Teil des Geldes Leuten vermachen wollte, die nicht zur Familie gehörten.«
    »Nein. Das kann es nicht sein«, sagte Ruth. »Bei den

Weitere Kostenlose Bücher