12 - Wer die Wahrheit sucht
eine Stunde vor ihrer Ankunft.« Deborah lächelte. »Voila! Das Gesetz von Chinaland in Aktion. So viel Mühe und so hohe Kosten für nichts und wieder nichts, wie sich herausstellt.« Hinter ihr schaltete sich der elektrische Wasserkocher aus. Sie goss den Tee in der dickwandigen grünen Kanne auf, trug diese zum Tisch und bedeutete China, sich zu ihr zu setzen. »Aber wenn du sie nicht anrufst...«
China kam in die Küche. Deborah wartete darauf, dass sie den von ihr begonnenen Satz vollenden würde. Aber China setzte sich nur schweigend nieder, nahm einen der Teebecher und drehte ihn langsam zwischen den Händen. »Diese Denkweise habe ich schon vor einiger Zeit aufgegeben«, sagte sie. »Es war sowieso immer nur ein Spiel und hat nicht mehr geklappt. Vielleicht lag's auch an mir. Ich weiß es nicht.« Sie stellte den Becher ab. »Mit Matt hat es damals angefangen. Habe ich dir das mal erzählt. Wir waren noch Teenager. Ich geh an seinem Haus vorbei, und wenn ich nicht schaue, ob er in der Garage ist oder für seine Mutter den Rasen mäht oder so was, wenn ich beim Vorbeigehen nicht mal an ihn denke, dann wird er da sein. Aber wenn ich schaue oder an ihn denke - nur seinen Namen denke -, wird er nicht da sein. Es hat immer geklappt. Also hab ich weitergemacht. Wenn ich gleichgültig tue, wird er total interessiert an mir sein. Wenn ich nicht mit ihm ausgehen will, wird er mit mir ausgehen wollen. Wenn ich ganz fest denke, dass er mir bestimmt nie einen Gutenachtkuss vor der Tür geben wird, wird er mir einen geben. Er wird mir unbedingt einen geben wollen. Irgendwo habe ich natürlich immer gewusst, dass es in Wirklichkeit nicht so läuft - dass es nicht stimmt, dass man immer das Gegenteil von dem denken und sagen muss, was man wirklich will -, aber nachdem ich einmal damit angefangen hatte, mit diesem Spiel, ist es immer so weitergegangen. Am Ende hieß es: Plane ein Leben mit Matt, und es wird nie dazu kommen. Leb dein eigenes Leben, und er wird dir hinterherhecheln und alles versuchen, um dich für immer an sich zu binden.«
Deborah schenkte den Tee ein und schob den Becher China zu. Sie sagte: »Es tut mir Leid, dass es so ausgegangen ist. Ich weiß, wie sehr du an ihm gehangen hast, und was du dir gewünscht hast, erhofft, erwartet. Was immer.«
»Ja, was immer. So könnte man das sagen.« Sie nahm den Zuckerspender, der auf dem Tisch stand, und ließ den Zucker in ihren Becher fließen. Als sie endlich aufhörte, hatte Deborah den Eindruck, das Gebräu wäre restlos ungenießbar.
»Ich wollte, es wäre alles so gekommen, wie du es dir gewünscht hast«, sagte Deborah. »Aber vielleicht klappt es ja doch noch.«
»So wie in deinem Leben immer alles klappt? Nein. Ich bin nicht so wie du. Ich lande nicht automatisch auf den Füßen. Das war noch nie so.«
»Du weißt doch gar nicht -«
»Ich habe mit dem einen Mann Schluss gemacht, Deborah«, unterbrach China ungeduldig. »Glaub mir einfach, okay? Bei mir gibt's keinen anderen - ob verkrüppelt oder nicht -, der nur darauf gewartet hat, dass alles in die Brüche geht, damit er einspringen und da weitermachen kann, wo der andere aufgehört hat.«
Deborah zuckte unter den schneidenden Worten der Freundin zusammen. »So siehst du mein Leben...? Wie es sich entwickelt hat? So... China, das ist nicht fair.«
»Findest du? Meine ganze Beziehung mit Matt war doch von Anfang an nur ein einziger Kampf. Zusammen, getrennt und wieder zusammen. Heute der heiße Sex, morgen der große Bruch. Dann die Versöhnung und heilige Schwüre, dass diesmal alles anders wird. Und schon waren wir wieder zusammen im Bett, und es war herrlich. Drei Wochen später die nächste Trennung wegen irgendwas total Blödem: Er hat gesagt, er kommt um acht, aber er kreuzt erst um halb zwölf auf und hält es nicht mal für nötig, mich anzurufen, um mir zu sagen, dass er sich verspätet. Ich hab die Nase voll von dieser Art und sag ihm: Schluss, mir reicht's, hau gefälligst ab. Zehn Tage später ruft er an und sagt: Hey, Baby, gib mir noch eine Chance, ich brauch dich doch. Und ich glaube ihm, weil ich so unglaublich blöd oder in meiner Verzweiflung zu allem bereit bin, und das Ganze fängt wieder von vorn an. Und die ganze Zeit schwelgst du im Glück mit einem beschissenen Grafen, oder was er war. Und als der von der Bildfläche verschwindet, taucht wie gerufen Simon aus der Versenkung auf. Es ist schon so, wie ich gesagt habe. Du landest immer auf den Füßen.«
»Aber so war es
Weitere Kostenlose Bücher