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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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eben vernichten. Aber sie war eines Besseren belehrt worden, als sie gesehen hatte, wie er sich nach der Explosion um alles gekümmert hatte. Er hatte sofort Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr alarmiert. Sie wisse gar nicht, wie sie ohne ihn zurechtgekommen wäre.
    »Ich hätte es alles Kevin Duffy überlassen«, sagte sie. »Aber das lehnte Adrian ab. Er sagte: ›Er gehört nicht zur Familie. Wir wissen nicht, was hier vorgeht, und solange wir das nicht wissen, erledigen wir alles, was erledigt werden muss, selber.‹ Und das haben wir getan.«
    »Warum hat sie meinen Vater getötet?«, fragte Adrian Brouard St. James.
    Das brachte sie zu dem Gemälde, denn so weit St. James hatte feststellen können, war es China River um das Gemälde gegangen. Aber da er den Platz vor den Stallungen als Ort für ausführliche Erklärungen nicht geeignet fand, schlug er vor, ins Haus zu gehen und das Gespräch dort, in der Nähe der Dame mit dem Buch und der Feder, fortzusetzen.
    Das Bild war oben in der Galerie, einem langen, holzgetäfelten Raum, der fast die ganze Ostseite des Hauses einnahm und den größten Teil von Brouards Sammlung moderner Ölgemälde enthielt. Die Dame mit dem Buch und der Feder wirkte hier fehl am Platz, ungerahmt auf einer Glasvitrine mit Miniaturen liegend.
    »Was ist das?«, fragte Adrian und trat schnell vor die Vitrine, wo er eine Lampe einschaltete. Ihr Licht traf das glänzende volle Haar, das der Heiligen Barbara auf die Schultern herabfiel. »Nicht unbedingt ein Stück, das Dads Sammelleidenschaft angesprochen hätte.«
    »Unter den Augen dieser Frau haben wir alle unsere Mahlzeiten gegessen«, erwiderte Ruth. »Sie hing in Paris in unserem Esszimmer, als wir Kinder waren.«
    Adrian sah seine Tante an. »In Paris?« Sein Ton war ernst. »Aber nach Paris... Wo ist das Bild plötzlich wieder aufgetaucht?«
    »Dein Vater hat es gesucht und gefunden. Ich glaube, er wollte mich damit überraschen.«
    »Gefunden? Wie?«
    »Das werde ich wohl nie erfahren. Mr. St. James und ich... Wir vermuten, er hat jemanden beauftragt. Das Bild verschwand nach dem Krieg, aber er hat es nie vergessen. So, wie er die Familie nie vergessen hat. Wir hatten nur das eine Foto, auf dem sie alle zusammen zu sehen waren, das bei deinem Vater im Arbeitszimmer stand, und dieses Gemälde hier ist auf der Aufnahme auch zu sehen. Da er die Familie nicht zurückholen konnte, wollte er wenigstens das Bild zurückholen, vermute ich. Und das hat er getan. Paul Fielder hatte es. Er hat es mir gegeben. Ich denke, Guy hat ihm gesagt, dass er das tun soll, wenn... nun, wenn er vor mir sterben sollte.«
    Adrian Brouard sah St. James an. »Ist er deswegen getötet worden?«
    Ruth sagte: »Das kann ich mir nicht vorstellen, mein Junge.« Sie stellte sich neben ihren Neffen und betrachtete das Bild. »Paul hatte es. Wie soll da China River von ihm gewusst haben. Und selbst wenn - wenn dein Vater ihr aus irgendeinem Grund davon erzählt hat -, es ist ein Stück von rein ideellem Wert, das Letzte, was uns von unserer Familie geblieben ist. Es stand für ein Versprechen, das er mir in der Kindheit gegeben hatte, als wir aus Frankreich fliehen mussten. Es war ein Versuch, etwas zurückzuholen, von dem wir beide wussten, dass es unersetzlich ist. Abgesehen davon ist es ein hübsches Bild, sicher, aber das ist auch alles. Nichts weiter als ein altes Bild. Was hätte es jemand anderem schon bedeuten können?«
    Sie würde, dachte St. James, die Wahrheit bald genug erfahren, weil Kevin Duffy sie ihr früher oder später erzählen würde. Eines Tages würde er ins Haus kommen und das Bild sehen, in der Halle oder im Damenzimmer oder hier oben in der Galerie oder in Guy Brouards ehemaligem Arbeitszimmer. Er würde es sehen, und er würde sprechen müssen... es sei denn, er hörte von Ruth, dass dieses fragile Stück Leinwand nur ein Andenken an eine Zeit und ein Volk war, die von einem Krieg zerstört worden waren.
    Bei Ruth Brouard würde das Gemälde gut aufgehoben sein, so wie zuvor in der Familie, als es nicht mehr gewesen war als das Bild von der Dame mit dem Buch und der Feder, das vom Vater an den Sohn weitergereicht und dann von einer Besatzungsarmee gestohlen worden war. Es gehörte jetzt Ruth. So wie es in ihre Hände gelangt war, durch einen Zufall in der Folge der Ermordung ihres Bruders, galten für dieses Gemälde weder Brouards letzte Verfügungen noch irgendeine Absprache, die er vor seinem Tod mit seiner Schwester getroffen hatte.

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