1200 - Ordoban
welcher Mechanismus es organischer Materie ermöglicht ihrer eigenen Form bewußt zu werden und diese Form unverändert über zahllose Generationen hinweg fortzupflanzen?"
Jetzt war die Reihe zu lächeln an Ordoban. Niemand sah es, aber seine Belustigung kam im Klang der synthetischen Stimme zum Ausdruck. „Darüber habe ich gerade in letzter Zeit viel gelernt. Organische Materie besteht aus Zellen. Jede Zelle enthält in ihrem Kern genetische Information, die mehreren Riesenmolekülen aufgeprägt ist. Die einzelnen Informationen nennt man Gene. Die Riesenmoleküle sind gewöhnlich in Form einer Doppelhelix ausgebildet. Bei der Zellteilung entstehen neue Doppelhelices, die jedoch dieselbe genetische Information enthalten."
.Ausgezeichnet", lobte Tyrik. „Die Information, die in den Riesenmolekülen gespeichert ist, nennt man auch den genetischen Kode. Die ordnenden Mächte, die den Mächten des Chaos widerstreben, orientieren sich an einem moralischen Kode, der für das gesamte Universum Gültigkeit hat."
Er wartete, ob Ordoban etwas dazu zu sagen hätte, aber der alte Recke schwieg.
„Seit Urzeiten befindet sich das Universum in einem Zustand der Polarisierung", fuhr der Kosmokrat fort.
„Den Kräften der Ordnung auf der einen Seite stehen die Kräfte des Chaos auf der anderen gegenüber. Wir wissen nicht, warum das so ist.
Wir können nur feststellen, daß es eine Ureigenschaft des Universums ist, polarisiert zu sein - ebenso wie es eine Ureigenschaft des Universums ist, einem stetig höheren Grad der Unordnung, einem immer höheren Wert der Entropie zuzustreben. Wir vermuten gleichzeitig, daß die Gegenüberstellung von Ordnung und Chaos, von These und Antithese, die Triebkraft ist, die die Entwicklung des Universums bewirkt Insofern ist es nicht zulässig, von den Mächten der Ordnung als gut und jenen des Chaos als schlecht zu sprechen. Beide Mächte haben ihren Platz, im Sein der Dinge. Die Aufgabe der ordnenden Kräfte ist es, die chaotischen Kräfte nicht überhandnehmen zu lassen. Und ich nehme an, daß andererseits für die Mächte des Chaos die Maxime gilt, die ordnenden Kräfte in die Schranken zu verweisen.
Das wichtigste Hilfsmittel, das den Mächten der Ordnung zur Verfügung steht, ist der Moralische Kode des Universums. Er enthält die Informationen, die die ordnenden Kräfte benötigen, um wirksam gegen die Kräfte des Chaos angehen zu können. Der Moralische Kode entstand zusammen mit Energie und Materie in den Mikrozeiten unmittelbar nach der Urexplosion, der dieses Universum seine Existenz verdankt. Und er ist der Garant dafür, daß die negativen Kräfte im Zaun gehalten werden können.
Wie der genetische Kode der Biologie hat auch der Moralische Kode die Form einer Doppelhelix. Wenn du von Riesenmolekülen sprichst, dann gewinnt das Wort ‚riesig' in diesem Zusammenhang allerdings eine neue Bedeutung: Die Doppelhelix des Moralischen Kodes zieht sich durch das gesamte Universum. Ihre Länge läßt sich in konventionellen Maßeinheiten nicht angeben, denn sie ist unendlich.
Die Einzelinformation entlang eines biologischen Gens ist in Form von Peptiden verkörpert. Die Einzelinformation des Moralischen Kodes ist ein psionisches Feld von bedeutendem Energiegehalt. Eine schier unendliche Zahl solch psionischer Felder sind entlang der Doppelhelix des Moralischen Kodes aufgereiht. Jedes Feld enthält einen Hinweis, der von den ordnenden Mächten abgerufen werden kann, wenn es gilt, den Kräften des Chaos Widerstand zu leisten. Wie die Gene des genetischen Kodes sind auch die des Moralischen Kodes anfällig für Mutationen, seien sie spontan oder durch äußere Einwirkung herbeigeführt. Selbstverständlich versuchen die Mächte des Chaos immer wieder, Mutationen des Moralischen Kodes zu bewirken. - Gelänge ihnen das, dann müßte unter den Kräften der Ordnung Verwirrung entstehen, weil die in den psionischen Feldern enthaltenen Informationen verfälscht wären. Die Kosmokraten haben es übernommen, den Moralischen Kode gegen die Mutationsversuche der chaotischen Mächte zu schützen."
Tiryk machte eine Pause, aber noch immer sprach Ordoban. kein Wort. Eine ungeheure Erregung hatte sich des Alten bemächtigt. Das Bild, das der Kosmokrat vor ihm entrollte, bot ihm Einblicke in Geheimnisse des Kosmos, von deren Existenz er bisher keine Ahnung gehabt hatte. Das Eigenartige an der Situation war, daß er, der gewohnheitsmäßige Skeptiker, mit keinem Gedanken an der Wahrheit des Gehörten
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