1201 - Die Windjäger
und mich umschaute.
Auf dem Boden neben dem Küchentisch sah ich ebenfalls das Blut und auch die beiden »Waffen«, mit denen Maxine zugeschlagen hatte. Das Fenster war geschlossen, diesen Weg konnte er nicht genommen haben. Als ich wieder in die Diele zurückkehrte, hörte ich, dass Suko und Maxine miteinander flüsterten.
»Neuigkeiten?«, fragte ich Suko.
»Nein, John. Ich wollte nur wissen, wohin der Gang führt.«
»Zu meiner Praxis!«, klärte uns Maxine auf.
»Dann bleibt ihr hier«, sagte ich, »oder kommt langsam nach.« Mehr brauchte ich nicht zu sagen, die beiden wussten auch so, dass ich mich auf die Suche nach dem Killer machte und dabei alle Möglichkeiten einschloss.
Ein heller freundlicher Flur, der allerdings leer war, nahm mich auf. Ich sah die Türen zu den einzelnen Praxisräumen, aber von dem Killer war nichts zu sehen.
Dafür stand die Tür am Ende des Flurs offen. Leichte Nebelschwaden trieben in den Raum.
Suko und Maxine waren mir gefolgt, und die Ärztin sagte:
»Er hat den Hinterausga ng genommen und ist in den Garten gelaufen. Da kriegen wir ihn nicht mehr.«
Da war ich mir nicht so sicher. Ein Garten bietet immer wieder Schutz. Bäume und Büsche oder Hecken. Für einen Hinterhalt ideal. Hinzu kam noch der leichte Nebel, der sich auch weiterhin gehalten hatte. Er würde möglicherweise den gesamten Tag über bleiben.
Ich ging bis zur hinteren Tür vor. Maxine war eine Ärztin, die auch Tiere in Pflege nahm. Sie hatte dafür einige Ställe gebaut, die über einen schmalen Pfad erreicht werden konnten. So viel ich sah, befanden sich keine kranken Tiere darin. Zwei mit Maschendraht gesicherte Türen standen sogar offen.
Der Garten zog sich ziemlich weit hin, verlor allerdings seine Breite und lief an seinem Ende recht spitz zusammen.
Durch den Winter hatte die Natur ihr Kleid verloren. Das war auch hier zu sehen. Es gab Lücken zwischen den Büschen, und die braunen Bäume wirkten auf mich wie traurige Gestalten.
Vögel hockten im Astwerk und ließen sich von den dünnen Dunstschleiern umspielen.
Wo gab es einen Hinterhalt!
Ich sah keinen, aber ich entdeckte auch hier an der Tür einige Tropfen Blut auf dem Boden, ein Anzeichen dafür, dass der Mörder diesen Weg genommen hatte.
»Er scheint die Flucht ergriffen zu haben«, sagte ich zu Suko, der neben mich getreten war. »Max muss ihn hart erwischt haben.«
»Denke ich auch.«
»Dann sollten wir ins Haus gehen. Ich nehme an, Max hat uns einiges zu erzählen.«
Es blieb beim Vorsatz, denn wir hörten gemeinsam die helle Stimme des Mädchens.
»Maxine…?«
Die Ärztin erschrak. Dann gab es für sie kein Halten mehr.
Ohne auf irgendeine Sicherheit zu achten, stürmte sie durch die Lücke zwischen uns, drückte uns zu verschiedenen Seiten hin weg und rannte nach draußen.
»Rosy!«, rief sie.
»Ja, hier oben!«
Sie schaute zum Dach hoch, und Sekunden später sahen Suko und ich das Gleiche.
Auf dem Dach des Hauses standen die beiden fast gleich großen Mädchen. Sie hielten sich an den Händen. Es stimmte tatsächlich. Eines von ihnen besaß tatsächlich Flügel…
***
Okay, wir hatten schon Bescheid gewusst, doch jetzt, wo wir es mit eigenen Augen sahen, überraschte es uns schon. Mein erster Gedanke war fast als kindlich einzustufen. Für mich war das Mädchen kein Engel, denn Engel können zwar Flügel besitzen, aber keine aus Federn wie Vögel.
Ich spürte wie ein Strom durch meinen Körper rann, als hätte man mir eine elektrische Ladung verpasst. Aber ich gab keinen Kommentar ab, ebenso wenig wie Suko.
Maxine aber war glücklich. Sie stellte sich vor uns hin und deutete zuerst auf das normale Kind. Wir erfuhren, dass es Rosy Mills hieß. Die Kleine mit den Flügeln hieß Carlotta.
»Ich bin so glücklich, dass sie es geschafft haben!«, fügte sie hinzu.
Suko sah die Dinge realistischer, und da gab ich ihm Recht.
»Beide sollten dort oben verschwinden, Max. Sie geben da eine fast perfekte Zielscheibe ab. Noch immer müssen wir damit rechnen, dass der Killer in der Nähe lauert.«
Maxine schrak zusammen. »Daran habe ich gar nicht gedacht«, flüsterte sie. Sie winkte den beiden zu. »Kommt kommt schnell, bitte. Dort oben seid ihr nicht sicher.«
»Wer sind die Männer?«, rief uns Carlotta entgegen.
»Meine Freunde, von denen ich gesprochen habe. John Sinclair und Suko.«
Die Mädchen schauten sich an. Erst als Rosy nickte, war auch Carlotta überzeugt. Sie flüsterte der Freundin etwas zu. Beide
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