1205 - Kundschafter der Kosmokraten
noch vor Beginn der nächsten Schwarzzeit im Lorroskerviertel ankommen wollte, mußte er sich beeilen. Der Geriokrat Chizgren 1931, der das Lorroskerviertel beherrschte, war ein wählerischer Kunde und leicht zu verärgern.
Der Plünderer verdrängte die unangenehmen Gedanken. Zunächst galt es, unentdeckt in die Alte Tiefenschule einzudringen, die Pyramiden in der Nähe des Hochturms zu erreichen, Artefakte aufzuspüren und das Ruinengebiet wieder zu verlassen, ohne von einem Energiestrahl gegrillt oder einem Schwerkrafthammer zermahnt zu werden.
Er wartete noch eine Weile und stellte dann enttäuscht fest, daß mit einem Abzug der Treumänner in den nächsten Stunden nicht zu rechnen war. Wahrscheinlich würden sie erst abziehen, wenn die Energiezellen ihrer Detektoren und Schürf gerate erschöpft waren.
Zu lange für Chulch.
Bemüht, keine verräterischen Geräusche zu machen, warf er seinen kräftigen, fellbedeckten Körper herum und trabte an dem Rautengebäude vorbei nach Westen. Bald verklang das Geschrei der Treumänner, und er erhöhte seine Geschwindigkeit.
Der Boden bebte unter seinen Beinen: Sechs weiße Säulen, die den mächtigen Leib mit der Geschwindigkeit eines Rennpferds durch die Ruinenlandschaft trugen. Die beiden schwarzen Satteltaschen auf Chulchs Rücken tanzten bei jedem Schritt auf und ab. Staub wurde von den Säulenbeinen aufgewirbelt und bedeckte bald wie grauer Puder das weiße Fell. Unter dem großen Kopf mit den braunen, warmen Augen wuchsen aus dem Hals zwei weitere Glieder, die in achtfingrigen, geschickten Händen endeten.
Chulch lief immer weiter nach Westen, bis er genug Distanz zwischen sich und die Treumänner gebracht hatte, und bog dann wieder nach Süden ab. Vom Galopp ging er in einen leichten Trott über.
Er lauschte und schnupperte.
Nichts. Nur der modrige, bittere Geruch der Alten Tiefenschule und hoch im Norden das Rauschen eines Atmosphärestrudels, der wie ein gewaltiger Quirl die Luft über Starsen aufwirbelte.
Chulch sah hinauf zum Himmel.
Lückenlos war er von einer grauen Wolkendecke überzogen, durch die gleichmäßiges Licht fiel. Der Plünderer wunderte sich nicht über das Fehlen einer Sonne. Er wußte nicht einmal, was eine Sonne war.
In der Tiefe gab es keine Sonne.
Nur den wolkenbedeckten Himmel und das gleichmäßige Licht, das ein ganzes Tiefenjahr lang währte und dann von der fünfstündigen Schwarzzeit abgelöst wurde.
Der Gedanken an die Schwarzzeit ließ Chulch aufschrecken.
Er lief schneller. Ein einsames Geschöpf mit sechs Beinen und weißem Fell, das ein unbefangener menschlicher Beobachter für ein Tier halten konnte, wären da nicht die Taschen und die Arme mit den geschickten Händen.
Schnell hatte der Plünderer die Peripherie der Alten Tiefenschule erreicht. In endlose Fernen breitete sich vor ihm das Gewirr der Pyramiden aus. Sie waren grau wie der Staub, und viele trugen deutlich sichtbare Zeichen des Zerfalls, und mitten in dieser grauen Öde funkelte das Gold des Hochturms.
In den mythischen Zeiten vor der Isolation sollte der Hochturm der Endpunkt des Tiefenfahrstuhls gewesen sein, der die Besucher aus dem Hochland in die Tiefe brachte, aber Chulch bezweifelt, daß es so etwas wie das Hochland überhaupt gab. Wahrscheinlich war es genauso eine Legende wie die paradiesischen Länder, die jenseits der Stadtmauer Starsens liegen sollten... Die unendliche Weite des Tiefenlands, wo jede Kreatur frei war, frei von der Unterdrückung durch die Statusherrschaft, durch die Geriokraten und die Fraternität, die sich als .Schutzmacht der Status-Eins-Bürger aufspielte und in Wirklichkeit nur eine andere, subtilere Form der Unterdrückung ausübte.
Chulch verharrte, griff mit dem gelenkigen Arm nach hinten und öffnete die rechte Satteltasche. Er zog ein spindelförmiges Gerät hervor. Es hatte Äonen im Staub der Tiefenschule geruht, bis Chulch es gefunden hatte, aber es funktionierte noch.
Und es .besaß den unschätzbaren Vorteil, nicht nach einer bestimmten Zeitspanne zu zerfallen, wie die Waffen und technischen Geräte, die von den Starsenspendern erzeugt wurden.
Chulch drehte die Spindel mehrfach in der Hand und drückte dann fest zu. Das matte Schwarz verblaßte und wich einer dunkelgrünen Aura, in der Chulchs Hand verschwand. Der Plünderer wußte nicht, wie das Gerät funktionierte und aus welcher Energiequelle es seine Kraft schöpfte, aber durch Versuche hatte er herausgefunden, daß sich die grüne Aura in der Nähe
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