1205 - Wer die Totenruhe stört
die Hölle bereits kannte, und jetzt ist es wieder passiert. Nach all den Jahren. Schon damals hat sich die Erde gemeldet, und die Leute waren ebenso hilflos wie wir heute…«
Elsa Groof hatte lange gesprochen. Craig Averell schenkte ihr Tee nach, während sie sich in ihrem Sessel zurückgelehnt hatte und die Augen geschlossen hielt.
Ich gab ihr gern eine Pause, um nachzudenken. Auch ich musste das Gehörte noch verarbeiten. Ebenso wie Suko, der still und nachdenklich neben mir saß. Nur das leise Fauchen des Kaminfeuers war zu hören und hin und wieder ein Knacken von Holzscheiten.
Craig Averell schaute mich mit einem besorgten Blick an.
Auch er wusste nichts mehr zu sagen, aber ich wollte nicht länger schweigen und übernahm das Wort.
Ich kam wieder auf Elsas letzten Satz zu sprechen. »Meinen Sie wirklich, dass wir auch heute so hilflos sind wie die Leute damals?«
»Ja, das meine ich, Mr. Sinclair. Ihren Mut in allen Ehren, aber wie wollen Sie das Grauen stoppen? Das Böse aufhalten? Die Ruhe der Toten wurde gestört. Ein Sakrileg. Etwas, das Menschen nicht tun dürfen. Sie haben auch das Böse auf dem normalen Friedhof begraben und ihn so entweiht. Das schlechte Gewissen sind auch die nachfolgenden Generationen nie losgeworden. Es hat sich in ihnen festgesetzt. Es wurde auch keine Kirche gebaut. Wenn die Bewohner hier einen Gottesdienst besuchen, gehen sie in einen anderen Ort. Sie leiden noch immer unter der Vergangenheit, und das wird auch weiterhin so bleiben, denke ich mir.«
»Das glaube ich nicht.«
»Dann wollen Sie das Böse stoppen?«
»Wir wollen es aufhalten, Mrs. Groof.«
»Als Menschen?«, flüsterte sie.
»Ja.«
»Menschen sind zu schwach.«
»Nicht immer. Ich will Ihnen sagen, dass wir uns darauf geeinigt haben, das Böse zu bekämpfen, von wem es auch in die Welt geschickt sein mag. Das sollten Sie glauben. Vielleicht hat uns wirklich die Hand Gottes hergeführt, aber wir sind da, und wir werden auch bleiben. Wir haben einen ersten Kontakt gehabt. Wir leben noch und setzen alles daran, dass es so bleibt.«
»Sie haben ihn gesehen?«
»Nein, aber seine Macht erlebt. Die Erde hat gebebt. Nicht nur auf dem Friedhof, der dadurch ein völlig verändertes Aussehen erhalten hat, auch in der Nähe ist das passiert, und Mr. Averells Haus wurde ebenfalls nicht verschont. Man kann sagen, dass sich das Böse oder Vurvolak auf den Weg gemacht hat, um sich an Rootpark und den Bewohnern zu rächen, wie immer man das auch sehen mag.«
»Ja«, flüsterte sie, »ich begreife es. Dann gehen auch Sie davon aus, dass er nicht tot ist?«
»So ist es.«
Sie musste ihre nächsten Worte erst zusammensuchen. »Dann muss man davon ausgehen, dass die Menschen damals hier keinen Toten begraben haben, sondern jemand, der noch lebendig gewesen ist und nun einfach zurückkehrt?«
»Kann sein. Aber das werden wir herausfinden.«
Elsa Groof schaute Suko und mich an. Sie war skeptisch, das konnten wir ihr nicht verdenken. Craig Averell ergriff für uns Partei. »Ich denke, dass du ihnen vertrauen kannst, Elsa. Sie haben mir das Leben gerettet. Wären sie nicht gewesen, hätte mich der verdammte Friedhof längst geschluckt. Die alten Schädel liegen zum Teil frei. Er ist umgewühlt. Es kommt mir vor, als hätte sich Vurvolak zu einem riesigen Monstrum entwickelt. Einer, der als Leiche zu einer immensen Größe gewachsen ist. Das ist zwar unglaublich, aber ich habe Dinge erlebt, die ich - naja, ist egal.«
Elsa nickte sehr bedächtig. »Gewachsen«, murmelte sie vor sich hin. »Ja, das Böse wächst. Überall in der Welt findet es einen Nährboden. Unsere Vorfahren hätten diesen Dämon damals verbrennen sollen, das wäre besser gewesen. So aber müssen wir das Grauen ausbaden. Er beherrscht uns jetzt aufgrund seiner Größe. Ich habe es geahnt. Ich habe die Leute hier auch gewarnt, als wir die ersten Erdstöße miterlebten, aber sie hörten nicht auf mich. Sie wollten nicht auf mich hören. Sie nahmen das Unnormale als normal hin. Es ist in den Nachrichten einige Male erwähnt worden. Da sprachen Wissenschaftler, die der Meinung waren, dass auch in einem Gebiet wie diesem immer wieder lokale Erdbeben vorkommen können. Aber ich weiß es besser, und Sie wissen es mittlerweile auch.«
»Ja«, sagte Suko. Es klang wie ein Abschluss. »Deshalb werden wir versuchen, Vurvolak zu vernichten.«
»Das ist sehr redlich. Allein - mir fehlt der Glaube. Entschuldigen Sie?«
»Hier werden wir ihn nicht zu fassen
Weitere Kostenlose Bücher