1205 - Wer die Totenruhe stört
doch nicht geirrt, verdammt. Das… das… kann nicht sein. Oder was denkst du?«
»Nein, ich denke nicht, dass wir uns geirrt haben. Geschirr hat geklirrt, und keiner von uns hat dabei gegen den Tisch gestoßen. Es muss das leichte Beben gewesen sein.«
Wir standen vor dem Haus. Beide warteten wir darauf, dass wir unter unseren Füßen leichte Vibrationen spürten. Das war jedoch nicht der Fall. Da faltete sich nichts auf, da hörten wir auch weiterhin kein Grollen.
Hatte sich die Kraft wieder zurückgezogen?
Auch am Haus war nichts passiert. Die Scheiben waren nicht gesprungen, und es hatte sich an den Wänden auch kein Stein oder Holzbalken verzogen.
»Okay«, sagte ich zu meinem Freund. »Wenn du hier stehen bleiben willst, dann gehe ich nach vorn und sehe mich um.«
»Ich gehe mit dir.«
»Gut.«
Wir gaben beide Acht. Unsere Blicke waren zu Boden gerichtet, und wir setzten unsere Schritte mit der nötigen Vorsicht.
Die Lampen hatten wir ebenfalls hervorgeholt. Ihre Lichtfinger wiesen uns den Weg über eine Strecke hinweg, die alles andere als eben war, sondern mit kleinen Buckeln oder Mulden bestückt.
Je weiter wir vorgingen und den tanzenden Lichtstrahlen folgten, umso lauter hörten wir das Plätschern des Wassers. Ich hatte mein Kreuz in die Tasche gesteckt und strich wieder mal mit den Fingern über das edle Metall hinweg.
Ja, es gab noch immer die leichte Wärme ab. Ein Zeichen, dass wir uns nicht geirrt hatten. Nur den verdammten Dämon bekamen wir nicht zu sehen. Möglicherweise hatte er bereits bemerkt, dass gerade ich nicht so waffenlos war. Es konnte sein, dass er das Kreuz hasste wie die berühmte Pest.
Als wir uns weit genug vom Haus entfernt hatten, warf ich einen Blick nach links. Dort lag der kleine Ort. Aus vielen Fenstern drang der gelbliche Schein der Lampen und malte Muster in die Dunkelheit hinein. Kein Schatten bewegte sich dort. Kein Laut war zu hören. Keine Stimme. Es fuhr auch niemand mit seinem Auto weg. Mir kam allmählich der Gedanke, dass die Bewohner sehr wohl über das Grauen informiert waren, es aber nicht zugaben, die Köpfe in den Sand steckten und darauf hofften, dass der Kelch an ihnen vorbeigehen würde.
So etwas erlebten wir nicht zum ersten Mal. Schon öfter waren wir in Ortschaften wie diesen zu Einzelkämpfern geworden. Diese allgemeine Furcht war auch nur in der Einsamkeit zu erleben, in den größeren Städten sah das anders aus.
Suko hielt mich fest. Mit der anderen Hand deutete er nach vorn, und auch seine Lampe machte die Bewegung mit. Das Licht fand nicht nur seinen Weg, es fand auch ein Ziel, und wir beide hielten plötzlich den Atem an. Wir erlebten ein Phänomen, das uns alles andere als unbekannt war. Aus gewissen Spalten im Boden drang dunkler Qualm hervor. In breiten Schwaden bewegte er sich über die freie Fläche hinweg, um sich dort als Nebel auszubreiten, als hätte das Böse als Vorboten ein dunkles Leichentuch geschickt.
Mich hielt nichts mehr an meinem Platz. Ich lief mit langen Schritten auf die Spalte zu. Sie war nicht so breit wie die auf dem Friedhof, aber sie war vorhanden und hatte einen zickzackartigen Streifen im Boden hinterlassen.
Ich stand so dicht an der Spalte, dass ich fast senkrecht hineinleuchten konnte. Es war nicht einfach, etwas zu sehen, denn der größte Teil des Lichts wurde von diesem fetten dunklen Qualm geschluckt, aber das Grollen war jetzt nicht mehr zu überhören. Als Knurren aus der Hölle drang es an meine Ohren, und ich hatte das Gefühl, als wäre eine gewaltige Gestalt dabei, das gesamte Gebiet hier in einer unheimlichen Tiefe zu durchwandern.
Zu erkennen war nichts. Keine Gestalt, die sich daran machte, die Tiefe zu verlassen. Sie blieb noch versteckt und wartete, bis ihre Zeit gekommen war.
Ich drehte auch noch mal den Kopf und schaute zum Ort hinüber. Dort gab es ebenfalls keine Veränderung. Die Stille lastete wie eine Glocke über den Häusern.
Aber das Grauen stagnierte nicht. Ich merkte ein Vibrieren unter meinen Fußsohlen, und einen Moment später sah ich, wie der Boden zu schwanken begann.
Nicht bei uns, sondern weiter zurück.
Es war wie ein kleines Wunder, das ich bestaunte. Der feste Boden bewegte sich plötzlich in Wellen weiter. Nur bestand er nicht aus Wasser, sondern wurde von unten geführt, was mit einem leichten Grollen verbunden war.
Ich sah auch, wie mein Freund Suko mit dem Gleichgewicht kämpfte, und das leider nicht weit vom Haus der Elsa Groof entfernt.
In diesem Moment
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