1209 - Die Pest-Gitarre
Das schwöre ich dir.«
Pee wehrte sich. Er sagte zwar nichts, doch er baute innerlich den Damm auf. Er wollte nicht, dass Ruby in Schwierigkeiten geriet. Aber sie war eine Frau, die es schaffte, ihren Willen durchzusetzen.
Zuckersüß lächelte sie ihn an. Ruby wusste, was sie tun musste, um seinen Widerstand schmelzen zu lassen. So bekam sie ihn herum. Als er den Mund öffnete, um zu protestieren, sagte sie: »Ein Mal nur - ja?«
»Ich… ich…«
Ruby war schneller. Pee sprach seinen Satz nicht zu Ende, denn seine Freundin hatte sich bereits gedreht und sich die Gitarre geschnappt.
Pee wollte aufspringen. Er kam nicht mehr dazu, denn Ruby war schneller. Sie hatte sich zudem von ihm weggedreht und schlug dann die ersten Akkorde…
Es war eine Klangfolge, die Pee zusammenzucken ließ. Nicht weil sie so disharmonisch war, nein, er hatte plötzlich eine wahnsinnige Angst um seine Freundin.
Sie hielt das Instrument wie ein Profi. Den Blick hatte sie gesenkt.
Den Daumen ihrer rechten Hand ließ sie spielerisch über die Saiten gleiten. Ruby spielte keine Melodie. Gut gemeint konnte man ihr Spiel als Improvisation bezeichnen.
Eine lose Klangfolge von Tönen und Anschlägen, die durch den kleinen Raum wehten und auch nicht zu laut klangen.
Sie hob den Kopf und schaute Pee direkt an. »He, geht doch - oder?«
»Ja, aber…«
»Hör auf mit deinem Aber, Pee. Du wirst sehen, dass wieder alles in die richtigen Bahnen gelenkt wird. Du brauchst dir da keine Sorgen zu machen.«
Pee schwieg. Er kannte Ruby. Sie war stark. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann führte sie es auch durch.
Jetzt tat sie nichts anderes. Die Daumenkuppe glitt über die Saiten hinweg, und es entstand auch so etwas wie eine Melodie, worüber Ruby selbst erstaunt war.
Es sah so normal aus, und trotzdem traute Pee dem Frieden nicht. Er saß wie auf dem Sprung. Seine Augen bewegten sich unruhig. Er konnte den Blick nicht von seiner Freundin nehmen, die das allerdings nicht störte. Sie spielte weiter, als hätte sie nichts anderes in ihrem Leben getan.
»Gut, nicht?«
Pee gab keine Antwort. Er spürte seine Unruhe. In ihm brodelte es.
Auf seinen Handflächen hatte sich Schweiß abgesetzt. Ein paar Mal musste er schlucken. Zudem schlich sich etwas in seine Nähe.
Er kannte den Geruch. Es lag noch nicht lange zurück, da hatte er ihn in den Räumen der Firma gerochen. Und jetzt schlich er wieder heran.
Es war für ihn ein Zeichen, dass eine Veränderung dicht bevorstand.
»Hör bitte auf!«, flüsterte er Ruby zu. »Spiel nicht mehr weiter…«
Sie hörte nicht auf ihn. Sie war einfach nur in das Spiel vertieft. Noch immer hielt sie den Kopf etwas gesenkt. Sie schaute auf ihre rechte Hand und schien in eine Trance hineingefallen zu sein. Manchmal zuckten ihre Mundwinkel.
Dann sah es aus, als würde sie sich über gewisse Anschläge freuen.
Manchmal bewegte sie auch den Kopf im leichten Rhythmus der Anschläge. Pee und die gesamte Umgebung schienen für Ruby nicht mehr präsent zu sein.
»Aufhören!«, fuhr er sie an.
Ruby spielte. Sie tat, als hätte sie ihn nicht gehört. Er vernahm sogar ein leichtes Summen, während sich der Geruch verstärkte.
Pee wusste nicht, was er noch unternehmen sollte. »Riechst du das denn nicht? Merkst du nicht, was du mit deinem verdammten Spiel anrichtest?«
Ruby schaute ihn jetzt an. Sie lächelte. Auf ihrem Gesicht lag dabei ein verklärter Ausdruck. Allerdings nur beim ersten Hinsehen. Als der Musiker genauer hinblickte, stellte er fest, dass dieses Gesicht eher verzerrt wirkte. Dabei stand der Mund offen. Speichel tropfte über die Unterlippe herab nach unten, und aus dem Mund drangen Laute, die lallend klangen.
O nein, das geht schief! dachte Pee. Sie hat etwas getan, bei dem es kein Zurück mehr gibt. Es gab nur noch eine Chance.
Er musste ihr die Gitarre entreißen.
Pee kam nicht mehr von seinem Platz hoch. Ein schweres und zugleich unsichtbares Gewicht drückte gegen seine Schultern und presste ihn auf dem Stuhl nieder. Alles war plötzlich anders geworden. Eine andere Macht hatte die Kontrolle übernommen. Es war ihm nur noch möglich, seinen Kopf zu bewegen. Er suchte das Zimmer ab. Er wusste, dass Schreckliches geschehen konnte. Er hatte die Geister gesehen, und jetzt wartete er darauf, dass sie ihm wieder erscheinen würden.
Nein, sie hielten sich zurück. Einzig und allein der Geruch war vorhanden. Mittlerweile so intensiv, dass sich Pee nicht mehr traute, normal zu
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