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1209 - Die Pest-Gitarre

1209 - Die Pest-Gitarre

Titel: 1209 - Die Pest-Gitarre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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sie ihn an dicke Würmer, die getötet worden waren.
    Er weinte. Und das so gut wie lautlos. Die Tränen liefen an den Wangen herab. Diese Haut war normal, bei Ruby Längster war es nicht der Fall. Dort gab es keine Normalität mehr. Sie erinnerte ihn an eine Leiche, die bereits in den Zustand der Verwesung übergegangen war.
    Die graubleiche Gesichtshaut, die dunklen Flecken darin, die sicherlich irgendwann aufbrechen würden, um zu geplatzten Geschwüren zu werden.
    »Die Pest!«, flüsterte Pee. »Sie hat die Pest bekommen…«
    Er weinte nicht mehr. Aber er war fassungslos und konnte sich nicht mehr bewegen. Sein Herz schlug sehr schnell, und jeder Schlag hinterließ bei ihm in der Brust einen stechenden Schmerz. Es war schwer für Pee, auf den Beinen zu bleiben.
    Das Zimmer drehte sich vor seinen Augen, und er hatte das Gefühl, sich irgendwo festhalten zu müssen, um nicht zusammenzubrechen.
    Er wollte auch Ruby nicht mehr sehen. Das rot gefärbte Haar trat durch die Veränderung des Gesichts noch stärker zum Vorschein. So erinnerte ihn die Person immer mehr an eine böse Puppe.
    Die Gitarre hielt er fest umklammert und gegen seine Brust gedrückt.
    Für ihn war sie bisher das einzig Wahre in seinem Leben gewesen. Jetzt hatte er ihre zweite, andere Seite erlebt, und nun wusste er, dass sie nur für ihn bestimmt war.
    Andere wurden durch sie getötet! Plötzlich lenkte ihn die Stimme ab.
    Sie drang in seinen Kopf hinein, aber es war niemand zu sehen, der mit ihr sprach. Der Sprecher hielt sich im Unsichtbaren auf. Vielleicht in einer fremden, fernen Welt, die für normale Menschen nicht einsehbar war.
    »Du hast meinen Rat nicht befolgt. Ich habe dir doch gesagt, dass du das Erbstück nicht aus den Händen geben darfst. Jetzt siehst du, was du angerichtet hast. Die Gitarre ist etwas ganz Besonderes. Sie bringt einem Menschen nicht nur die wunderbare Musik, die sorgt auch dafür, dass andere die Pest bekommen. Ja, sie ist eine Pest-Gitarre, und sie gehört nur in die Hände derjenigen Personen, die sie auch zu schätzen wissen. Sie gibt dir Macht. Du kannst die Geister beschwören, aber nur du, verstehst du? Keine anderen Personen.«
    »Ja, ich habe verstanden«, stieß er flüsternd hervor. »Ich weiß endgültig Bescheid. Es ist alles nur so neu für mich. Auch Alex mit den beiden Männern haben es gesehen…«
    »Sie sind gefährlich, Pee!«
    »Nicht Alex.«
    »Aber die beiden Fremden. Ich habe es gespürt. Du musst dich vor ihnen in Acht nehmen.«
    »Und was soll ich tun, Rahim?«
    »Vertraue der Gitarre.«
    Pee senkte den Kopf. »Was bleibt mir auch anderes übrig.«
    Er lachte und zog dabei die Nase hoch. »Aber Ruby… ich… ich… mag sie doch. Und sie mag mich.«
    »Vergiss sie, Pee. Du und die Gitarre, ihr beide seid wichtiger. Ihr bildet eine Einheit. Zieh dich am besten zurück. Lass Gras über die Sache wachsen. Dann sieht man weiter.«
    Er schnappte nach Luft. »Zurückziehen, sagst du? Wohin soll ich mich denn zurückziehen?«
    »Nicht in deine Wohnung. Geh zu meinen Freunden, zum fahrenden Volk. Dort wird man dich verstehen.«
    »Nein, das kann ich nicht. Ich bin doch für sie ein Fremder. Sie werden mich nicht aufnehmen.«
    »Versuche es.«
    »Aber ich will noch in meine Wohnung…«
    »Denk daran, dass man dir auf den Fersen ist. Auch hier bei deiner Freundin bist du nicht mehr sicher.«
    Die Worte hatten Pee getroffen wie eine schwere Anklage. Er hatte erst jetzt bemerkt, dass er bei dem Zwiegespräch nicht stehen geblieben war. Mit kleinen Schritten war er zurückgegangen und stand nun mit dem Rücken an der Wand. Die Luft im Raum kam ihm so dick vor, als wäre sie mit den Geistern gefüllt, die sich zurückhielten und sich nicht zeigten. Er strich mit den Handflächen über das Holz der Gitarre. Er merkte die Unebenheiten auf dem Material, und er wusste auch jetzt nicht, was die Zeichen dort bedeuteten.
    »Hast du alles verstanden?«
    Pee nickte ins Leere.
    »Dann geh jetzt und warte ab. Dein normales Leben ist vorbei. Du hast Fehler begangen. Von nun an musst du versuchen, das Beste daraus zu machen.«
    »Ja, Rahim, ich werde es versuchen.« Dann überwand er sich und fragte: »Aber was ist mit dir passiert? Warum lebst du? Du bist doch eigentlich tot. Du… du… kannst nicht mehr am Leben sein.«
    »Ich befinde mich in meiner Welt. So lange die Gitarre existiert, wird es auch mich geben.«
    Die Worte waren mit einer so großen Bestimmtheit gesprochen worden, dass Pee alles glaubte. Die

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