1209 - Die Pest-Gitarre
anvertraut hast.«
»Das wäre auch nicht möglich gewesen.«
»Man kann nie wissen, was in den Köpfen von euch jungen Leuten vorgeht.«
»Aber, ich bin anders. Ich habe die Gitarre.«
»Eben, du bist anders. Deshalb hat sie dir der weise Rahim auch überlassen. Er hat dich einmal gehört, und er mochte dich. In seiner Jugend war er ebenfalls ein Meister auf diesem Instrument, und er hat immer einen Erben gesucht. Keiner von uns ist ihm würdig genug erschienen, dann hat er dich gesehen und gehört. Er hat dir sein Instrument übertragen, in der Hoffnung, dass du verantwortlich damit umgehen wirst.«
»Das habe ich auch getan!«, behauptete Pee.
Der alte Zigeuner zog seine hellen Augenbrauen in die Höhe.
»Bist du dir da sicher?«
»Ja!«
»Warum lügst du mich an?« Die Stimme des Mannes gewann an Schärfe. »Wenn du dir sicher gewesen wärst, dann würdest du nicht hier sitzen. Du hast die Macht der Gitarre ohne große Not ausgenutzt. Dieses alte Instrument, das sich im Besitz mächtiger Magier und Zauberer befunden hat, besitzt sein Eigenleben. Es stellt die Verbindung zum Jenseits her. Es ist in der Lage, die Geister der Toten zu rufen und sie zu beschwören. Aber du hast dich benommen wie ein junger dummer Zauberlehrling. Das ist nicht gut gewesen, Pee.«
»Nein!«, rief er über den Tisch hinweg. »So kannst du das nicht sehen. So darfst du es nicht sehen. Das stimmt alles nicht, verdammt. Es ist eine Serie von unglücklichen Vorfällen gewesen. Mir hat das Schicksal einen Streich gespielt. Im Prinzip wollte ich das nicht. Ich habe Rahim auch nicht alles geglaubt, was er mir über die Gitarre gesagt hat. Ich habe ihre Macht auch nie herausgefordert, bis zur vergangenen Nacht. Da sind mir die Dinge aus dem Ruder gelaufen.«
»Du hast sie deiner Freundin gegeben.«
»Nein!« Pees linker Arm schnellte vor. »Ruby hat sich die Gitarre genommen.«
»Du hättest es verhindern müssen. Sie darf von keinem anderen gespielt werden, weil sie fremden Menschen Unheil und Tod bringt. Es ist für andere eine Pest-Gitarre. Sie lockt die Geister der Pesttoten hervor, die dann ihre Viren verstreuen. Das Instrument wurde zur Zeit der Pest gebaut. Ich habe von mächtigen Zauberern gesprochen, die sich dort verewigt haben. In ihr steckt der Keim der Pest, aber auch der Schlüssel zum Jenseits. Jeder Ton ist ein Lockruf für Geister, das weißt du. Deshalb hat Rahim dir auch verboten, mit ihr auf der Bühne zu spielen. Hättest du das getan, wäre das Chaos über die Menschen gekommen. Du hast auch sein Vertrauen missbraucht, Pee.«
Der Musiker senkte den Kopf. »Ich habe ihn gesehen. Rahim ist mir erschienen. Er war zur Hälfte verwest, aber es gab ihn noch. Er stand im Totenlicht vor mir.«
»Das stimmt. Er hält noch immer die Verbindung aufrecht. Selbst das Jenseits kann die beiden nicht trennen. Erst wenn du gestorben bist, wird auch er seine endgültige Ruhe finden. Aber dann wirst du seine Stelle einnehmen.«
Pee hatte zugehört und bekam vor Staunen seinen Mund nicht mehr zu. »Das habe ich so genau nicht gewusst. Weshalb wurde mir das nicht von Rahim gesagt?«
»Weil er dir vertraut hat. Weil er dir eine Chance geben wollte. Er wird immer auf deiner Seite stehen, so lange sich die Gitarre in deinem Besitz befindet. Aber ich fürchte, dass dies nicht gut ist.«
Pees Kinn ruckte vor. »Wie… wie meinst du das?«
»Das kann ich dir sagen. Du hast Recht, du musst dich zurückziehen und für die Menschen zunächst nicht vorhanden sein. Diese Chance gebe ich dir hier. Allerdings nicht ohne eine Gegenleistung, mein Freund. Du wirst deine Gitarre in meine Obhut geben. Erst wenn ich sicher bin, dass du dich geändert hast, bekommst du sie zurück.«
Pee hatte alles verstanden. Trotzdem glaubte er, sich verhört zu haben.
Er starrte den alten Mann an, lachte glucksend auf und umfasste sein Erbe noch fester als zuvor. »Hast du das im Ernst gemeint, Bogdan?«
»Es muss so sein.«
»Aber nicht für mich!«, flüsterte Pee. »Nein; auf keinen Fall. Ich werde die Gitarre nicht hergeben.«
Bogdan ließ sich nicht beirren. »Bitte, denk nach. Tu dir und anderen Menschen den Gefallen. Die Gitarre in deiner Hand ist etwas Schlimmes, Pee.«
»Sie gehört mir!«
»Ja, das soll auch so bleiben. Ich werde sie nur verwahren. Nimm deine andere Gitarre. Spiele in deiner Band. Versuche wieder, ein normales Leben zu führen. Alles andere wird sich ergeben.«
»Das kann ich nicht mehr, Bogdan. Die Zeiten sind endgültig
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