1209 - Die Pest-Gitarre
dass Pee einen Teil der Schuld daran trägt, wenn nicht die gesamte. Denken Sie auch so?«
»Ich kann es mir schlecht vorstellen. Das würden Sie auch sagen, wenn Sie Pee besser kennen würden.«
»Trotzdem hat er sich verändert«, erklärte Bill. »Und das muss mit der Gitarre zusammenhängen.«
Davon ging Alex auch aus. Er blickte Bill an und sah so aus, als suchte er nach einer Erklärung. Wir sahen, dass er die Achseln zuckte.
»Verändert hat er sich eigentlich nicht, seit er das Instrument besitzt. Es ist mir zumindest nichts aufgefallen. Abgesehen davon, dass er von seiner neuen Gitarre wahnsinnig begeistert gewesen ist. Er hat sie fast wie eine Geliebte behandelt. Er gab sie auch nicht ab. Sie war für ihn wirklich so etwas wie ein Heiligtum. Jetzt haben wir ja erlebt, dass mehr dahinter steckt.«
»Er hat sie nicht gekauft.«
»Nein, Mr. Conolly. Er bekam sie geschenkt. Das sagte er zumindest. Ein Erbstück.«
Bill lächelte säuerlich. »Wer verschenkt schon eine Gitarre, mit der man Geister mobilisieren kann, wie wir es erlebt haben? Die Geister der Toten. Gestalten aus dem Jenseits, die wie ein Sturmwind über uns gekommen sind. Da kann ich nur sagen, dass der Vorbesitzer wirklich ein außergewöhnlicher Mensch gewesen sein muss.«
»Und dass er etwas mit der Pest zu tun gehabt hat!«, fügte ich hinzu.
»Das kommt noch hinzu.«
Alex Steel hatte seinen Kopf gesenkt. Beide Hände lagen an den Seiten, um ihn abzustützen. Wir sahen ihm an, dass er schwer mit den eigenen Gedanken beschäftigt war. Er grübelte, und wir waren sicher, dass es für ihn nur ein Thema gab.
»Das fahrende Volk. Zigeuner, Sinti, Roma, wie immer Sie es nennen wollen. Es muss eine Rolle gespielt haben. Ich glaube, dass dies die einzige Spur ist.«
Ich stimmte ihm durch mein Nicken zu. Fügte dann noch etwas hinzu.
»Fahrendes Volk bedeutet, dass die Menschen oft unterwegs sind. Da können wir Pech haben, dass sie sich nicht mehr in London oder Umgebung aufhalten. So sehe ich das zumindest.«
»Im schlimmsten Fall schon«, gab mir Alex Recht.
»Aber wir sollten es trotzdem versuchen.« Bill ballte die rechte Hand zur Faust. »Was bringt es, wenn wir hier herumsitzen und nichts tun? Wichtig ist, dass wir seine Wohnung durchsuchen. Vielleicht finden wir dort einen Hinweis. Oder wir halten uns an die Mitglieder seiner Band. Es kann sein, dass er ihnen mehr Vertrauen geschenkt hat, weil die Band ja sein Hobby war.«
»Nicht schlecht.« Ich blickte Alex an. »Was meinen Sie dazu?«
»Das ist eine Möglichkeit.«
Überzeugt hatte seine Antwort nicht geklungen, aber das waren Bill und ich auch nicht. Ich wollte von Steel wissen, ob er die Namen der Bandmitglieder kannte.
»Die Vornamen schon.«
»Das bringt nichts. Aber die vier Tombstones sind in der Musik-Szene bekannt. Wir werden uns da einklinken. Oder können Sie zufällig eine CD besorgen?«
»Es gibt zwei davon.«
»Super, dann…«
Alex schnippte mit den Fingern. »Ist nicht nötig. Ich kann mich an einen Namen erinnern.«
»Und?«
»Wesley Crane.«
»Klasse.« Mir ging es besser. Das war zumindest ein Hoffnungs-Schimmer.
»Jetzt brauchen wir nur seine Adresse oder zumindest die Telefonnummer.«
»Das ist wohl das geringste Problem«, sagte Bill. Irgendwie sah auch er erleichtert aus…
***
Man kannte ihn noch! Es war längst hell geworden, als sich Pee unter die Mitglieder des fahrenden Volks mischte. Er war zu den Wohnwagen und Wohnmobilen gegangen, trug dabei seine Gitarre wie eine Kostbarkeit vor sich her und hatte sich den staunenden Blicken der Kinder und Frauen gestellt, die ihre Wagen verlassen hatten, um den ersten morgendlichen Arbeiten nachzugehen.
Es gab in diesem Clan auch einen Chef. Ein schon älterer Mann, der wie ein Capo die großen und kleinen Probleme löste. Er hieß Bogdan und lebte allein in einem großen Wohnmobil, das er sich gemütlich eingerichtet hatte.
Man durfte nie ohne Anmeldung zu ihm kommen, aber darüber setzte sich Pee hinweg. Es war noch recht früh, als er forsch an die Tür klopfte und darauf wartete, dass ihm geöffnet wurde.
Bogdan persönlich machte ihm auf. Er trug einen bunten Hausmantel, in den er sich regelrecht eingewickelt hatte. Der dünne Stoff umgab die magere Gestalt mit dem großen hageren Kopf und den schlohweißen Haaren. Sein Gesicht war im Laufe der Jahre grau geworden. Wie kleine Gräben hatten sich die Falten in die schlaffer gewordene Haut eingegraben.
Der Ärger aus seinen Zügen
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