121 - Das Dorf der lebenden Toten
war.
Weihnachten konnten wir auch ein andermal feiern. Helen Brown und ihr Vater Mitchell aber vielleicht nicht mehr, wenn wir das Unheil von ihnen nicht abwandten.
»Ich muß leider gehen«, sagte ich zu Vicky. Sie hatte es geahnt, das sah ich ihr an. Sie war das gewöhnt.
»Wann kommst du wieder?« wollte sie wissen.
»Kann ich nicht sagen. Ich fahre mit Lance nach Wellfolk. Ich ruf’ dich an.«
Sie nickte ergeben. Sie wußte, daß ich sie an diesem Tag nicht allein gelassen hätte, wenn es nicht wichtig gewesen wäre.
Jubilee wollte unbedingt, daß Vicky dablieb. Mir war das recht. So brauchte Vicky den Heiligen Abend wenigstens nicht allein zu verbringen.
Einen schlechteren Zeitpunkt hatte sich Duncan Sharp für sein Erscheinen nicht aussuchen können. Es war jeder Zeitpunkt mies, aber Weihnachten war der mieseste von allen.
Weihnachten… Fest der Liebe. Fest der Freude, Fest des Schenkens…
Für die Menschen in Wellfolk sollte es ein Fest des Todes werden. Über zwei von ihnen hatte Duncan Sharp bereits das Todesurteil verhängt.
Mein letztes Abenteuer - ich hatte in Chicago mit meinem amerikanischen Freund Noel Bannister einen grausamen Killer mit magischen Stahlhänden gejagt - lag ein paar Tage zurück.
Ich war erholt und wieder bei Kräften. Dennoch wollte ich die Fahrt nach Wellfolk nicht nur mit den beiden jungen Leuten und Lance Selby antreten.
Ich wollte Mr. Silver mitnehmen. Wenn wir Glück hatten, erledigte er den Todbringer im Handumdrehen.
Lance Selby hatte Helen Brown ein Amulett gegeben, das sie beschützen und vor Schaden bewahren sollte. Ob der Abwehrzauber stark genug sein würde, wußten wir nicht. Ein zweites Amulett befand sich in Lances Tasche. Das sollte Mitchell Brown bekommen.
Wir verabschiedeten uns von den Goddards und fuhren zu Mr. Silver. Cuca, die Hexe, mit der der Ex-Dämon zusammenlebte, öffnete. Natürlich wurde in diesem Haus kein Weihnachtsfest gefeiert.
Für Cuca, Mr. Silver und seinen Sohn Metal war dies ein Tag wie jeder andere.
»Ist Silver zu Hause?« fragte ich.
»Was willst du von ihm?« fragte Cuca zurück.
»Das sage ich ihm lieber selbst.«
Wir waren keine Freunde. Ich konnte mich einfach nicht daran gewöhnen, daß die Frau an Mr, Silvers Seite nicht mehr Roxane war.
»Er hat keine Zeit«, behauptete Cuca.
»So? Was macht er denn?«
»Er übt mit dem Höllenschwert.«
»Das kann er ein andermal tun«, sagte ich und ging einfach an Cuca vorbei. Die Hexe starrte mich böse an. Es lag etwas in der Luft. Eines Tages würden wir aneinandergeraten.
Wir hielten uns im Moment noch wegen der anderen zurück, doch irgendwann würden wir das nicht mehr tun. Ich rief Mr. Silvers Namen. Er kam die Kellertreppe hoch, atemlos, verschwitzt, Shavenaar, das Höllenschwert, in der Hand.
Diese einmalige Waffe war ein Lebewesen, in dem sogar ein Herz schlug. Das Schwert war für Loxagon, den Teufelssohn, geschmiedet worden, und er wollte es wiederhaben.
Anscheinend war das der Grund, weshalb Mr. Silver mit dem Schwert trainierte. Loxagon war ein gefährlicher Kämpfer. Wenn Mr. Silver gegen ihn bestehen wollte, mußte er hart an sich arbeiten.
»Ich habe ihm gesagt, daß du keine Zeit hast«, bemerkte Cuca, als wollte sie sich für mein Eindringen entschuldigen.
»Was soll der Blödsinn?« sagte Mr. Silver ungehalten. »Für Tony habe ich immer Zeit, das solltest du wissen. Geh! Laß uns allein!«
Cuca zog sich zurück.
»Ich weiß, ihr mögt euch nicht«, sagte der Ex-Dämon. »Aber könntet ihr euch nicht ein bißchen mehr zusammennehmen?«
»Das tu ich. Ich bemühe mich wirklich, aber Cuca macht es mir nicht leicht. Sie kommt mir keinen Millimeter entgegen.«
»Ich werde mit ihr reden.«
»Ein andermal«, sagte ich. »Es gibt Arbeit.« Ich erzählte ihm von Duncan Sharp. Wie nicht anders zu erwarten, erklärte sich der Hüne mit den Silberhaaren sofort bereit, mich nach Wellfolk zu begleiten.
***
Mitchell Brown sagte zu seinem Sohn, er solle in seinem Zimmer spielen.
»Wo ist Helen, Dad?« fragte der Kleine.
»Ich weiß es nicht«, antwortete sein Vater.
»Wird sie da sein, wenn das Christkind kommt?«
»Ganz bestimmt«, antwortete Mitchell Brown. »Geh jetzt in dein Zimmer. Ich muß kurz weg. Du hast doch keine Angst, allein zu spielen?«
»Nein, Dad.«
»Ich bin bald zurück«, sagte Mitchell Brown und verließ das Haus. Er ging die Dorfstraße entlang. Aus der Autoreparaturwerkstatt von Peter Legate drangen noch Arbeitsgeräusche, Niemand
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