1210 - Todesgruß aus Aibon
sagen«, stand Shao dem Freund bei.
»Nun ja, er hat sich immerhin sehr schnell zum Essen von ihr einladen lassen. Das noch in ihrer Wohnung. Für mich ist das ein Zeichen, dass John die Realitäten aus den Augen verloren hat.«
»Wie meinst du das denn?«
Suko antwortete, als Shao sich auf die Couch gesetzt hatte.
»Er hat sich zu sehr von den privaten Dingen leiten lassen und weniger von den beruflichen. Sagen wir, Shao: Sein angeborenes Misstrauen ist ihm abhanden gekommen.«
»Ho, das ist ein Hammer!«
»Ja, warum nicht?«
»Aber ich denke nicht so.« Sie schlug mit der Faust auf ein bedrucktes Kissen. »Ein Mann wie John Sinc lair weiß genau, was er tut. Da kannst du sagen, was du willst. Er hat auch nicht bis zum verabredeten Zeitpunkt gewartet und ist vorher zu ihr gegangen. Das alles solltest du bedenken, bevor du ihn verurteilst.«
»Tue ich nicht. Ich mache mir eben nur Sorgen um ihn. Überhaupt ist dieser verdammte Fall für mich ein Horror. Ich komme mir vor wie an der langen Leine geführt, und ich will endlich diese verdammte Person zu Gesicht bekommen.«
»Du weißt doch, wo Selina wohnt.«
»Klar.«
Shao lächelte ihn an.
»Dann geh hin. Betrete ihre Wohnung und stelle sie zur Rede.«
»Dort hält sich John bereits auf.«
»Bist du sicher?«
»So war es abgemacht.«
»Kann sein, dass er nicht mehr dort ist.«
»Dann hätte er uns Bescheid gegeben«, widersprach Suko.
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich.
»Es sei denn…«
»Genau das meine ich. Es sei denn, man hat ihn in eine Falle gelockt. Wir müssen mit allem rechnen.«
»Okay, du hast Recht. Ich werde mir die Wohnung ansehen. Was ist mit dir?«
»Ich bleibe hier.«
Suko schüttelte den Kopf. »Du sagst das so locker, Shao. Das gefällt mir nicht.«
»Was soll ich denn tun? Etwa mitgehen?«
»Nein, lieber nicht. Das ziehe ich schon allein durch.« Er hob die Schultern. »Ein vorläufiges Ziel haben sie ja mittlerweile erreicht. John hat sein Schwert nicht mehr.«
»Und wie ich ihn kenne, wird er alle Mittel einsetzen, um es zurückzuholen.«
»Aus Aibon?«
»Ich denke schon.«
Suko ging drei Schritte vor und zwei wieder zurück. Er schaute dabei zu Boden. Wie jemand, der scharf nachdachte, was er auch tat. »Wenn das tatsächlich stimmt, Shao, dann muss es in Selina Greens Wohnung eine Möglichkeit geben, um in das Paradies der Druiden zu gelangen. Ein ›Tor‹, wie wir sagen.«
»Kein Widerspruch.«
Er blickte sie an. »Gesetzt den Fall, ich habe es gefunden, dann gibt es für mich nur eine Möglichkeit.«
Er sprach sie nicht aus, doch Shao wusste Bescheid. Sie lächelte, obwohl ihr nicht danach zumute war. »Da musst du eben durch«, sagte sie mit leiser Stimme.
»Ohne dich?«
»Geh erst mal.«
Suko wusste, wie schwer Shao der Abschied fiel. Sie war wirklich eine Kämpferin, doch in einem anderen Leben oder auf der anderen Seite, und auch nur, wenn sie zum Phantom mit der Armbrust wurde. Bisher hatte sie davon noch nicht gesprochen, aber Suko kannte ihren Blick. Wahrscheinlich dachte sie darüber nach.
Es konnte auch sein, dass sie noch immer daran knackte, dass in die Wohnung so leicht eingebrochen worden war und man sie so schnell überwältigt hatte. Da fehlte eben jetzt das Gefühl der Sicherheit.
»Wir packen es«, sagte sie leise. »Und wir werden John bestimmt nicht allein lassen.«
»Okay, das ist ein Wort!«
»Geh schon«, sagte sie.
Suko beugte sich über seine Partnerin und küsste sie auf die Stirn. »Gib auf dich Acht, Mädchen.«
Sie hielt seine Hände fest. »Tue ich das denn nicht?«
»Bisher haben wir Glück gehabt.«
»Und das werden wir auch weiterhin haben.«
Mehr sagte Shao nicht. Suko drehte sich ab und verließ mit langsamen Schritten die Wohnung. Dabei fühlte er sich alles andere als wohl in seiner Haut…
***
Ich verbrannte!
Nein, ich verbrannte nicht wirklich, aber ich konnte an nichts anderes denken, weil ich nur das mich umgebende Feuer sah, das tatsächlich wie eine Wand wirkte.
Aibon-Feuer und gespickt mit ebenso starren Flammen wie das Feuer aus der Hölle, das es ebenfalls nicht schaffte, mich zu verbrennen. Die Flammen um mich herum brausten und tosten. Ich hörte das Geräusch in meinen Ohren und bis hinein in den letzten Winkel des Kopfes. Ich kämpfte gegen meine Furcht an, ich wollte mich auch bewegen, aber nichts gelang mir.
Es gab auch keine Zeit mehr. Ich wusste einfach nicht, wie viele Sekunden vergangen waren. Oder hatten sie sich bereits zu Minuten
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