1210 - Todesgruß aus Aibon
recht sicher gefühlt. Nun war ihr gezeigt worden, wie trügerisch diese Sicherheit auch an Orten war, an denen man es nicht vermutete.
Unruhig lief sie von einem Zimmer ins andere. Sie schaute in die Ecken, sie suchte nach irgendwelchen kleinen Monstern, die sich versteckt hatten, aber es war nichts zu entdecken. Es schien wirklich nur eines in der Wohnung gewesen zu sein, um sich den Schlüssel zu holen.
Als das Telefon klingelte, zuckte sie zusammen. Suko war es bestimmt nicht, der vom Handy aus anrief. Möglicherweise John. Sie nahm ab und meldete sich.
»Bist du es, kleine Chinesin?«
Shao erstarrte. Eine Frau hatte die Frage gestellt. Sie war sicher, die Stimme noch nie zuvor gehört zu haben, aber schon nach dem ersten Satz rann ihr ein Schauer über den Rücken.
»Wer will das wissen?«
»Ich!«
»Selina Green?«
Ein Lachen erwischte ihr Ohr. »Ich scheine bei euch ja schon bekannt zu sein…«
»Von wo rufen Sie an?«, unterbrach Shao sie und konzentrierte sich jetzt, denn ihre erste Furcht war verflogen.
»Es spielt keine Rolle. Denkt nur nicht, dass ihr gewonnen habt und aus dem Schneider seid. Ich hole euch, ich hole euch alle. Von nun an will ich nicht nur das Schwert, sondern auch euch. Denk immer daran, kleine Chinesin…«
Mehr sagte die Anruferin nicht. Als Shao noch eine Frage stellte, hatte sie die Verbindung bereits unterbrochen.
Shao aber blieb noch sekundenlang in ihrer starren Haltung stehen. Auf der Stirn malte sich eine Falte ab. Die junge Frau war dabei, stark nachzudenken.
Von Suko hatte sie erfahren, was in der Wohnung der Frau passiert war. Klar, sie hatte sich den Fortgang anders vorgestellt. Aber nicht mit einem John Sinclair!, dachte Shao und musste plötzlich lächeln. So leicht waren er und Suko nicht reinzulegen. Nur gehörte Selina Green wohl zu den Menschen, die immer neue Tricks auf Lager hatten und ihre Trümpfe nacheinander ausspielten.
Die Unruhe kehrte wieder zurück. Shao glaubte, dass sich Selina Green noch innerhalb des Hauses befand. Da konnte sie unter zahlreichen Verstecken wählen, nicht nur in der Tiefgarage hocken und dort abwarten.
Sie erschrak abermals, als ihr der Gedanke kam. Zugleich ärgerte sie sich über sich selbst, denn sonst war sie nicht so ängstlich. Aber Shao hatte das Gefühl, dass etwas in ihr Leben eingebrochen war, dass sie nicht kontrollieren konnte.
Sie wusste, dass Suko sein Handy mitgenommen hatte und klingelte ihn an.
»Ja…«
»Ich bin es nur.«
»Okay, was gibt es?«
»Hast du die Frau dort unten entdeckt?«
»Nein, habe ich nicht. Willst du das nur wissen? Ich komme gleich hoch und…«
»Es geht um etwas anderes. Sie hat nämlich bei uns angerufen.« Shao setzte sich auf einen Stuhl. »Sie ist verdammt sauer gewesen, sage ich dir. Sie hat sogar gedroht.«
»Erzähle bitte.«
Viel gab es da nicht zu sagen, und Suko berichtete noch, dass die Luft in der Tiefgarage rein war. »Ich werde wieder hochfahren.«
»Und den Wagen hast du gesehen?«
»Ein entsprechender BMW steht hier.«
»Dann bis gleich.«
Shao war etwas beruhigter, aber längst nicht zufrieden. Dieser Fall zerrte weiterhin an ihren Nerven. Auch wohl deshalb, weil es der Person gelungen war, sie durch ihren verdammten Killer-Gnom hereinzulegen. So leicht war sie noch nie in der eigenen Wohnung überwältigt worden.
Shao wollte auf Nummer Sicher gehen. Deshalb öffnete sie die Tür und schaute in den Flur. Da war keine fremde Person zu sehen. Rechts und links lag der Flur in der normalen Stille.
Allerdings öffnete sich die Fahrstuhltür. Suko verließ die Kabine, entdeckte Shao und lächelte, während sie aufatmete.
Zumindest ein Teil des Drucks war von ihr genommen worden…
***
Es war wirklich ein unerwarteter Anblick.
Die rechte Hand des Killer-Gnoms lag auf dem Boden. Dabei wiesen die Finger wie zufällig in meine Richtung. Dort, wo die Hand vom Gelenk abgetrennt worden war, quoll eine dunkle Flüssigkeit hervor und verteilte sich auf dem Boden.
Aber das kleine Monster schrie und jammerte nicht. Es gab jetzt überhaupt kein Geräusch von sich. Am rechten Arm bewegte sich flatternd der jetzt zu lange Kuttenärmel; als die kleine Gestalt wie ein böser Spuk durch das Zimmer huschte, sich dabei auf einen Halbkreis beschränkte und mich nie aus den Augen ließ. Diese kleinen Dinger befanden sich in ständ iger Bewegung. Sie schienen optisch Gift und Galle zu spucken.
Trotz der Behinderung gab die Gestalt nicht auf. Dazu war sie nicht
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