1215 - Mich jagte die blonde Bestie
in die Tasche, um die Lampe hervorzuholen. Aber nicht nur das. Er benutzte die andere Hand ebenfalls.
Damit zog er die Beretta.
Rosetti schien Augen wie ein Luchs zu haben. »Was immer Sie auch versuchen, Inspektor. Ihre Waffe wird Ihnen hier unten nicht viel bringen, denn hier herrschen andere Gesetze.«
Suko glaubte ihm. Es war zu merken, dass sich in der Umgebung eine Veränderung zeigte. Zwar konnte er die Luft normal einatmen, aber sie war dichter geworden, und sie schmeckte auch bitterer. In ihr schwebte etwas, das er zudem nur fühlen konnte. Rosetti hatte von einem Bösen gesprochen, und genau das erlebte Suko in diesem Fall. Da war etwas Böses, das sich in seiner Nähe aufhielt und sich stark konzentriert hatte.
Auf seinem Gesicht lag kalter Schweiß. Er hörte keine Stimmen, und trotzdem waren sie vorhanden. Hier gab es so etwas wie ein unseliges Leben, das nicht durch den Segen des Allmächtigen erschaffen worden war. Hier war der Platz für das Böse geschaffen worden, und das Böse hatte es angenommen.
Hätte Suko Johns Kreuz besessen, wäre er möglicherweise gewarnt worden, aber er war in dieser Hinsicht »nackt«. So konnte er sich nur auf sein Gefühl und die Erfahrungen verlassen, und die hatten ihn selten getäuscht.
Neben ihm stand Carlo Rosetti an der linken Seite. Suko sah ihn nicht, er hörte ihn nur. Sein leises Atmen erinnerte an ein leichtes Schnaufen. Wenn er ihn schon an diesen Ort geführt hatte, dann würde die Dunkelheit sicherlich nicht lange anhalten. Davon ging Suko einfach aus. Er und Rosetti waren Menschen, und als Menschen konnten sie nicht ohne Licht sehen.
Es wehten Suko auch keine anderen Geräusche entgegen.
Kein fremdes Stöhnen, kein Bitten um Hilfe, kein Flüstern, die Stille umgab ihn wie ein dichter Filz.
»Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen ist, Rosetti, aber ich bin keiner, der im Dunkeln sehen kann.«
»Das ist mir klar.«
»Wo ist das Licht?«
»Sie werden das Licht einer anderen Welt erleben. Einer dunklen Welt, einer wunderbaren Welt, die so gastlich gewesen ist und Vincent van Akkeren eine zweite Heimat gegeben hat. Ja, er war so etwas wie ein Asylant, aber nun…«
Die nächsten Worte ließ er unausgesprochen. Dafür löste er sich von Sukos Seite und ging vor.
Der Inspektor schaltete seine kleine Leuchte ein. Der Strahl erwischte den Boden, aber im nächsten Moment nicht mehr.
Da hob Suko die Lampe an und schaute auf den Lichtkreis an Rosettis Rücken.
»Lassen Sie das!«
»Ich mag nicht im Dunkeln stehen!«
»Es wird sich etwas ändern. Sie werden alles erfahren. Aber weg mit dem Licht!«
Suko tat Rosetti den Gefallen. Seine Wut war noch nicht verraucht. Sie hatte auch mit ihm selbst zu tun. So inaktiv zu sein, war nichts für ihn. Er brauchte Power. Es musste vorangehen, aber wohin der Weg führte, bestimmte er selbst.
Diesmal machte Rosetti den Anfang. Suko hörte nur, dass er ging. Er setzte seine Füße behutsam auf, als wollte er niema nden stören. In der Stille klang trotzdem alles überlaut.
Es stand für Suko fest, dass ihm Rosetti ein Geheimnis eröffnen würde. Noch allerdings war die Tür dazu geschlossen, aber sie war dicht davor, sich zu öffnen.
Suko war wie auf dem Sprung, als die Schritte verstummten.
Er hielt sogar den Atem an, als er die Stimme des Mannes vor ihm hörte. Was Rosetti sagte, war für ihn nicht zu verstehen.
Außerdem sprach er zu leise.
Bis er dann verstummte.
Am Rascheln der Kleidung nahm Suko wahr, dass sich Rosetti bewegte, und dann passierte es.
Obwohl er damit gerechnet hatte, wurde er überrascht. Vor ihm veränderte sich die Dunkelheit. Es wurde nicht hell, es blieb nach wie vor finster, aber diese Finsternis war anders.
Man konnte in sie hineinfassen, man konnte sie greifen. Sie war nah und trotzdem so fern. Zugleich war sie schlecht zu beschreiben, denn die normale Dunkelheit schien sich in ihr verdichtet zu haben, und deshalb hatte sie eine ungewöhnliche graue Färbung bekommen.
Es war etwas zu sehen. Suko suchte nach einem Vergleich.
Scharfe Konturen, die sich vor dem Hintergrund sichtbar abzeichneten, gab es nicht. Da musste jemand mit einem ebenfalls grauen Stift etwas in die Finsternis hineingezeichnet haben. Erst die Umrisse und danach das Innere schraffiert.
Ein Haus?
Ja, das war ein Haus. Suko sah noch mehr, als er sich auf die neue Lage einstellte, denn die Tür des dunklen Hauses in der dunklen Umgebung stand offen.
Im Hintergrund wartete jemand, der sich jetzt bewegte und mit
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