1215 - Mich jagte die blonde Bestie
aber diese Hoffnung zerbrach, denn der Spiegel zeigte mir nichts mehr. Er war wieder zur Wand geworden. Van Akkeren hatte sich zurückgezogen. Für mich und in dieser Welt war er nicht mehr als eine Randfigur. Sein Metier war die normale Welt, wo er seine Zeichen gegen die Templer um Abbé Bloch setzen würde, denn sie verfolgte er ebenfalls mit seinem Hass.
»Ich habe Verständnis, John.« Mallmann lächelte und nickte mir zu. »Aber du musst auch verstehen, dass ich mein Versprechen nicht brechen kann. Ich habe Justine versprochen, dass sie dich bekommt. Es tut mir selbst Leid. Kann sein, dass ich mich noch einmische. Zunächst geht es mal um Justine.« Er lächelte wieder. »Und um dich.«
»Ich höre.«
»Du darfst hier das Haus verlassen.«
»Oh. Soll ich mich bedanken?«
»Das liegt an dir, John. Du kannst dich in meiner Welt als völlig normaler Mensch bewegen. Das ist doch für dich bestimmt fantastisch. Ich werde nichts tun. Ich bleibe hier und warte einfach nur ab. Das ist alles.«
»Sehr schön. Was ist mit Justine?«
»Nun ja…«, sagte Mallmann gedehnt. »Bei ihr ist es etwas anderes, mein Lieber.«
»Dann wird sie nicht hier bei dir bleiben?«
»Nein!« Mallmann warf seiner Verbündeten einen auffordernden Blick zu, damit sie weitersprach. Das ließ sich Justine natürlich nicht nehmen.
»Es ist wirklich nicht kompliziert, John. Du darfst gehen, und ich gebe dir zwei Minuten Vorsprung. Danach verlasse ich dieses Haus, und damit hat das Spiel begonnen.«
»Verstehe«, flüsterte ich. »Für dich ist es ein Spiel. Für mich mehr eine Treibjagd, in der ich das Opfer bin.«
»Perfekt!«
»Ich habe dich als Gegnerin?«
»Unter anderem.«
»Wen noch?«
»Bitte, John«, meldete sich Mallmann zu Wort. »Du kennst dich in dieser Welt doch aus. Nur bist du heute ohne Waffen. Du weißt selbst, wer hier alles lauert. Die meisten meiner Geschöpfe sind ausgehungert. Sie lechzen nach Blut. Sie wollen das frische Menschenblut trinken und dabei an nichts anderes denken. Sich laben, um sich dann so stark zu fühlen. Das ist es doch, John.«
»Allmählich begreife ich.«
»Sehr schön.« Er deutete auf die offene Ausgangstür. »Wenn du willst, kannst du gehen.«
»Ja, geh!«, stimmte auch Jus tine zu.
Ich blickte sie an. In ihren Augen hatte sich etwas verändert.
Ich sah darin die Gier, die einzig und allein mir galt. Sie würde mich jagen und hetzen, denn sie wusste verdammt gut, dass es in dieser Welt kein Schlupfloch für mich gab.
Ich war ein Mensch, sie nicht. Ich würde irgendwann erschöpft sein, und dann hatte sie leichtes Spiel.
Verdammt, es sah mehr als schlecht aus. Ich konnte mich jetzt schon darauf einstellen, dass ich so gut wie tot war. Und dieses Wissen quälte mich, auch wenn ich mich äußerlich noch gelassen gab.
»Es wird ein toller Spaß werden…«, sagte Justine.
Ich erwiderte nichts. Es hatte keinen Sinn, mich hier zu wehren. Mit den bloßen Händen kam ich gegen keinen dieser verdammten Blutsauger an, die ihre Trümpfe eiskalt ausspielten.
»Geh jetzt!«, befahl Mallmann. »Wir sehen uns dann später wieder, Geisterjäger…«
»Lieber nicht«, erwiderte ich kratzig, aber ich tat trotzdem, was mir aufgetragen war.
Langsam drehte ich mich um, ohne Justine noch einen Blick zu gönnen. Und ebenso langsam ging ich zur Tür. Als ich dort einen Schritt über die Schwelle setzte, hörte ich zunächst Mallmanns scharfes Lachen und dann seine Stimme.
»Ab jetzt läuft die Zeit, John…« Es stimmte. Die Treibjagd auf mich hatte begonnen!
***
Das Innere der kleinen Kirche war alles andere als hell.
Trotzdem reichte das Licht aus, um eine Szene erkennen zu lassen, die einfach nicht in diese Umgebung hineinpasste.
Dicht hinter dem Eingang und nicht weit von einem Taufbecken entfernt, lag ein junger Mann gefesselt am Boden. Er schrie, er jammerte, er wand sich, aber es war ihm unmöglich, auf die Füße zu kommen. Sein Gesicht war verzerrt. Das lag nicht einmal so sehr an dem gequälten Ausdruck, sondern an den beiden spitzen Zähnen, die deutlich sichtbar aus dem Oberkiefer hervorwuchsen.
Dieser Mensch war kein Mensch mehr, sondern eindeutig ein Vampir. Freiwillig war diese Gestalt bestimmt nicht in die Kirche gelangt. Die umstehenden Personen mussten ihn gefangen, gefesselt und dann in die Kapelle gebracht haben.
So dachte auch Suko, der von außen durch eines der recht kleinen Fenster in die Kirche hineinschaute. Er hatte die lauten Rufe gehört und wollte nur
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