1216 - Kreislauf des Bösen
worden, und der Duft der Blumen strömte wie ein Freudenspender in die Sinne des Mannes hinein.
Der hoch gewachsene und blonde Templer mit dem markanten Gesicht hätte sich an der Natur erfreuen können, wie er das oft tat, denn er liebte es, Spaziergänge durch den Garten zu machen, weil er dann jedes Mal das Gefühl hatte, seine Geburt wieder neu zu erleben. Schließlich war er jemand, der aus einer anderen Zeit stammte, als noch die Kreuzfahrer in das Heilige Land gezogen waren.
Durch eine Lücke in der Zeit war er zu den Templern geraten und hatte sich bei ihnen schnell zurechtgefunden. Er war zum engsten Vertrauten Abbé Blochs geworden. Es hatte ihn stolz gemacht, und er liebte Bloch wie einen Vater.
Jetzt aber machte er sich große Sorgen um seinen Mentor. Er gab zu, dass er den Abbé noch nie in einem derartigen Zustand erlebt hatte. Bloch schien etwas über sein Schicksal zu ahnen, denn nie zuvor hatte er mit Godwin über die Nachfolge gesprochen.
Das war jetzt anders geworden. Und Godwin hatte es als erschreckend empfunden.
Unter einem kleinen Ahornbaum stand eine grün gestrichene Bank mit krummen Eisenfüßen. Diesen Platz liebte Godwin.
Auch jetzt lenkte er seine Schritte darauf zu. Er setzte sich, und der Schatten des Baumes fiel über ihn.
Er schaute nach vorn, ohne die Beete und kleinen Anbauflächen richtig zu sehen. Seine Gedanken trieben einfach zu weit weg, obwohl sie sich um das gleiche Thema drehten. Immer wieder beschäftigte er sich mit dem Abbé. Er war der Mann, den er als seinen Lehrer angesehen hatte. Der Abbé hatte ihn zu dem gemacht, was er jetzt war, doch auf der anderen Seite sah er ihn schwächer werden.
Bloch hatte Angst!
Er fürchtete sich vor der Zukunft, und er rechnete auch damit, dass er sie nicht so erleben konnte, wie er es sich vorgenommen hatte. Es war die Furcht vor dem Tod.
Godwin schluckte, als er daran dachte. Die Angst vor dem Tod. Die Furcht davor, es nicht mehr schaffen zu können. Zu alt zu sein, um der Aufgabe gewachsen sein zu können. Hinzu kam noch etwas anderes, überhaupt der Punkt, und daran musste sich Godwin erst noch gewöhnen.
Es hing mit der Rückkehr des Vincent van Akkeren zusammen. Mit diesem verfluchten Erzfeind, den alle in der Hölle gewähnt hatten, aus der es keine Rückkehr mehr gab.
Aber van Akkeren war zurückgekehrt. Der Teufel oder wer immer hatte ihn nicht mehr gewollt. Und das war für den alten Abbé kaum zu verkraften gewesen.
Man brauchte sich nicht stark in ihn hineinzudenken, um zu wissen, dass für ihn eine Welt zerstört worden war. Er sah es als ein Zerbrechen seines Lebenswerks an, und jetzt fehlt ihm die Kraft, um diese Teile wieder zusammenzufügen.
Es war vorbei…
Godwin stieß die Luft hörbar aus und schüttelte den Kopf. Er wollte nicht, dass es vorbei war. Er musste dem Abbé klar machen, dass er gebraucht wurde und dass sie gemeinsam den Kampf gegen van Akkeren aufne hmen mussten. Alles andere war Unsinn. Er stand ja nicht allein. Die anderen Templer waren bei ihm und umgaben ihn wie einen Schutzwall. Dass er in so starke Depressionen gefallen war, das musste nicht mal am Erscheinen des Grusel-Stars liegen, sondern an dem Wissen, unzulänglich zu sein, was ihn wiederum so niedermachte. Alle hatten sie gedacht, dass es das Problem van Akkeren nicht mehr geben würde, und jetzt befand er sich auf dem Rückweg. Auch Godwin gab zu, dass er bestimmt stärker denn je war. Eben gestärkt durch die Mächte der Hölle.
Der jüngere Templer hoffte, dass der Zustand des Abbé nur ein vorübergehender war und sich der alte Mann bald wieder erholen würde. Darauf setzen konnte er allerdings nicht, und deshalb nahm er sich vor, ihn zu besuchen und mit ihm zu sprechen.
Mit einem Ruck stand er auf. Kaum hatte er den Schatten des Baumes verlassen, als ihn wieder die Strahlen der Sonne trafen und sein Gesicht mit Wärme übergossen. Mit langsamen Schritten ging er tiefer in den Garten hinein. Er schaute in den noch immer blauen Himmel, der bereits die abendliche dunklere Färbung angenommen hatte und an einigen Stellen wirkte wie mit scharf geschliffenen Glassensen bestückt. Unter den Schuhen schoben sich die hellen Kieselsteine zusammen, und er lauschte den knirschenden Geräuschen, die ihn begleiteten.
Es befanden sich noch zwei andere Templer im Garten, die leise miteinander sprachen. Sie sahen Godwin zwar, aber sie kamen nicht auf ihn zu, weil sie spürten, dass er nicht gestört werden wollte.
Durch den
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