1216 - Kreislauf des Bösen
kam er sich völlig rat- und hilflos vor…
***
Noch lebte ich normal, denn noch strömte das Blut durch meine Adern. Das würde sich bald ändern, wenn es nach Justine Cavallo ging.
Die blonde Bestie hatte alles im Griff!
Sie brauchte mich nicht mehr zu jagen. Sie hatte mich. Und sie bewegte sich mit der Lässigkeit einer Siegerin, die sehr genau wusste, dass ihr die Beute niemand mehr entreißen konnte.
Der Kerzenschein ließ sie noch geheimnisvoller aussehen.
Das Licht strich in verschiedenen Stufen der Helligkeit über ihren fast nackten Körper hinweg, sodass sie hin und wieder aussah wie eine Traumgestalt, die ihre eigene Welt verlassen hatte. Sie genoss den Umstand, mich als Gefangenen zu haben, denn immer wenn sich unsere Blicke trafen, sah ich auf ihren Lippen ein Lächeln. Es pendelte zwischen Überheblichkeit und Spott. Manchmal machte sie auch den Eindruck, als müsste sie noch nachdenken, was sie überhaupt mit mir anstellte.
Ein Irrtum. Sie wusste genau, was ablaufen würde. Sie brauchte mein Blut. Sie würde daran erstarken und mich schließlich freilassen, wenn ich ebenfalls zu einem Vampir geworden war.
Ich lebte. Ich lag noch immer auf diesem weichen Bett oder Diwan, aber Justine traute mir nicht. Sie war deshalb auf Nummer sicher gegangen und hatte mich gefesselt. Meine Arme waren nach hinten gebogen worden, um meine Handgelenke hatte sie reißfeste Seidentücher geschlungen und diese an zwei Bettpfosten geknotet. Die Schlingen waren so fest, dass ich nicht in der Lage war, sie zu lösen. Bewegen konnte ich mich, wenn auch nur stark eingeschränkt, und diese Haltung gefiel mir ebenfalls nicht. Aus ihr herauszukommen, war fast unmöglich. Aus eigener Kraft jedenfalls brachte ich es nicht fertig.
Die blonde Blutsaugerin hatte mich bewusst in Ruhe gela ssen, damit ich mich an mein Schicksal gewöhnen konnte. Sie stellte noch einige Kerzen an andere Orte, um das Licht in ihrem Sinne zu verändern. Danach kam sie wieder auf mich zu.
Sie bewegte sich so unnatürlich. Es war fast zum Lachen.
Wie eine Animierdame in der Bar führte sie sich auf. Die Arme angewinkelt, die Hände zu Fäusten geballt und in die Hüften gestützt und ein herausforderndes Lächeln auf den Lippen.
Ich enthielt mich eines Kommentars und sagte auch dann nichts, als sie sich neben mich gesetzt hatte und mir ins Gesicht schaute.
»Wie fühlt man sich so, Geisterjäger?«
»Nicht schlecht. Aber ich habe mich schon besser gefühlt.«
Justine warf den Kopf zurück und lachte, was sehr unnatürlich klang. »Kann ich mir denken, John. Du bist keiner, dem es Spaß macht, gefesselt zu sein - oder?«
»Ich kann mir tatsächlich etwas Besseres vorstellen.«
»Keine Sorge. Es wird schon bald eine Veränderung geben.«
Sie fixierte mich. Ihre Augen sahen dunkel aus, auch wenn sich hin und wieder Lichtreflexe darin fingen. Ihr Gesicht zwar zweigeteilt. Die obere Hälfte lag mehr im Schatten, die untere sah heller aus, weil hier das Licht der Kerzen entlangstreifte.
Im Gegensatz zu Justine war ich noch vollständig bekleidet.
Ich glaubte auch nicht, dass sich das ändern würde, aber meine schöne Feindin hatte andere Pläne. Sie rückte noch näher an mich heran, sodass sie in Höhe meiner Hüfte saß und beugte sich vor.
Ich hielt die Augen offen, weil ich alles genau sehen wollte.
Ihr Lächeln hatte sich vertieft, in den Augen malte sich ein Glanz ab, der nicht vom Licht stammte. Es war die reine Gier nach mir, nach dem Leben und nach dem Blut.
Ich spürte ihre Hände auf der Brust. Die beiden Hälften der Jacke hatte sie so weit zurückgedrückt, damit sie nicht störten.
Noch tat sie nichts und ließ nur die Handflächen auf meiner Brust liegen.
»Gleich wirst du tot und doch nicht tot sein, John. Ist das nicht erregend für dich?«
»Nein, Justine. Ich habe Lokalverbot auf dem Friedhof.«
Sie müsste lachen. Der sarkastische Witz hatte ihr gefallen.
Dabei schüttelte sie den Kopf, und ihre langen Haare flogen von einer Seite zur anderen. »Sehr gut, John, sehr treffend sogar. Aber das habe ich auch nicht gemeint. Es wäre wirklich schade, dich in ein Grab zu legen, um dich da irgendwann wieder herauszuholen. Nein, du wirst zu einem besonderen Vampir werden, das habe ich dir versprochen, und dieses Versprechen werde ich auch halten.«
»Sehr schön.«
Sie fummelte weiterhin an mir herum. Ihre Fingerspitzen strichen dabei über meine Brust hinweg, sie senkte auch den Kopf, hob den Blick an, weil sie trotzdem in
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