1216 - Kreislauf des Bösen
Hintereingang betrat er das Kloster wieder. Er geriet von einer stillen Welt in die andere. Die Kühle tat ihm gut. Er ging nicht zu seinem Zimmer hoch, sondern blieb in der unteren Etage und lenkte seine Schritte zum Zimmer des Abbé.
Bloch bewohnte zwei Räume. In dem einen lebte und arbeitete er, in dem anderen befand sich sein Schlafzimmer.
Godwin de Salier klopfte gegen die Tür. Das leise Geräusch wurde gehört, denn er vernahm die Stimme des Templer-Führers. »Ja, bitte, komm herein, Godwin.«
De Salier war nicht überrascht, dass der Abbé wusste, wer ihn besuchen wollte. Er ging hinein und schaute sofort auf den Knochensessel, der der Tür gegenüber und in der Nähe eines Fensters stand.
Das makabre Möbelstück war leer. Auch der Abbé hatte nicht darauf Platz genommen. Er saß an seinem kleinen Tisch und schaute nach vorn, den Blick ebenfalls auf den Knochensessel gerichtet, als würde er ihm zahlreiche Wahrheiten zuführen.
Godwin de Salier schloss leise die Tür. »Darf ich mich setzen?«, fragte er dann.
»Sicher, nimm Platz.«
Godwin setzte sich auf einen Stuhl. Er stand im rechten Winkel zu Bloch. Der Abbé sah erschöpft und alt aus. Der Wille und die Energie schienen seinen Körper verlassen zu haben. Er blickte zwar nach vorn, aber er schaute zugleich auch ins Leere, als wäre er dabei, sich einzig und allein auf seine eigenen Gedanken zu konzentrieren, in deren Welt Bilder entstanden, die ihm einen großen Teil der Kraft raubten.
»Ich mache mir Sorgen um dich, Abbé.«
Bloch gab zunächst keine Antwort. Er strich schließlich müde über seine Stirn hinweg und lächelte bitter. »Es ist auch Zeit, sich um unsere Zukunft Sorgen zu machen, Godwin.«
»Warum? Hat sie sich so verändert? War sie nicht schon immer mit Überraschungen gespickt?«
»Ja, das schon. Aber da haben wir uns auf sie einstellen können, und das ist jetzt vorbei.«
»Wegen van Akkeren?«
»Ja, natürlich. Wir haben verloren, Godwin. Er hat seine Fesseln gesprengt. Wir alle waren nicht gut genug für ihn. Nicht nur wir, sondern auch die anderen. Ich denke da an John und Suko. Van Akkeren hat einen mächtigen Verbündeten gefunden, und wir stecken zwischen den beiden Mahlsteinen.«
»Aber wir können uns wehren!«, sagte Godwin sofort. Er hatte seiner Stimme einen harten Klang gegeben. »Wir müssen uns sogar gegen ihn wehren. Wir können es nicht hinnehmen, dass van Akkeren einen Sieg davonträgt. Das weißt du ebenso wie ich.«
»Er ist zu mächtig geworden. Ich habe all die Jahre gegen ihn und die anderen gekämpft, Godwin. Auch ich bin nur ein Mensch, und ich muss dir sagen, dass ich müde geworden bin. Ich kann es nicht mehr. Ich will es auch nicht mehr. Ich fühle mich kraftlos und muss mir eingestehen, dass die andere Seite stärker ist als wir.«
»Das steht noch nicht fest.«
Der Abbé drückte den Kopf zurück. Er lachte gegen die Decke. »Bitte, Godwin, machen wir uns doch nichts vor. Keiner von uns hat seine Rückkehr verhindern können. Wir dürfen noch froh sein, durch den Würfel gewarnt worden zu sein, sonst hätte es uns noch schlimmer treffen können.«
»Du meinst überraschender.«
»Ja.«
De Salier senkte seine Stimme. »Und du willst tatsächlich aufgeben, Abbé?«
Blochs Lippen bewegten sich bei der Antwort kaum. »Ich will nicht, Godwin, ich muss. Ich bin nicht mehr in der Lage, das Unheil aufzuhalten. Du weißt, dass ich kein Hellseher bin. Aber manchmal fühlen die Menschen, wann es mit ihnen zu Ende geht. Ich kann dir sagen, dass es bei mir bald soweit sein wird. Auf mich wartet das Jenseits. Als Kind hätte ich gesagt, dass es der Himmel ist. Als alter Mensch hoffe ich, in den Himmel zu kommen. So einfach ist das.«
»Klar, so einfach. Aber du wirst auch verstehen, dass ich dies nicht akzeptiere.«
Bloch schüttelte den Kopf. Er legte eine Hand auf den Unterarm des jüngeren Mannes. »Was, mein Lieber, willst du denn dagegen tun? Du kannst auch bei einem Freund den Tod nicht aufhalten. Wer das Gegenteil behauptet, hat Unrecht.«
»Ich weiß, dass ich den Tod nicht aufhalten kann, Abbé. Aber ich glaube nicht, dass er zuschlagen kann, wann immer er es will. Man kann sich ihm auch entgegenstemmen. Man muss sich nicht freiwillig in seine Knochenarme fallen lassen.«
»Das tue ich auch nicht. Ich spüre nur, dass er sich mir nähert. Den Zeitpunkt kenne ich nicht, aber er lauert bereits.«
De Salier lachte. »Dann ist es ja gut. Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Bei
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