1216 - Kreislauf des Bösen
strich durch ihr Haar und hielt es dann fest. Zugleich schaute er Justine direkt an. »Aber ich gönne ihr nicht alles, wenn du begreifst.«
»Ihr wollt euch mein Blut teilen?«
»So sieht es aus.«
Justine meldete sich durch ein Knurren. Es war ein wütender Laut. Sie wollte ihren Kopf in die Höhe reißen, aber der Vampir hielt sie eisern im Griff.
»Nicht so voreilig, Justine. Denk immer daran, dass ich in dieser Welt das Sagen habe.«
»Ja, schon gut.«
»Ohne mich wärst du nichts. Ich habe dich zu einer Königin an meiner Seite gemacht, und ich habe dir die Aufgabe überlassen, dich um die Hexen und ihre Freunde zu kümmern. Ich will sie haben. Ich will sie in den Kreislauf einschließen. Jetzt, wo es Sinclair so gut wie nicht mehr gibt, musst du kaum mit Störungen rechnen. Du hast freie Bahn, Justine. Also sei mir dankbar.«
Er ließ sie los und drückte ihren Kopf dabei heftig zurück.
Justine kam ins Taumeln, fing sich allerdings sehr schnell und blieb vor ihm mit geballten Händen stehen.
»Klar?«, fragte er.
»Ja, ich habe verstanden.«
»Sehr gut.« Mallmann schaute wieder auf mich nieder. Den Mund hatte er zu einem Lächeln in die Breite gezogen. Seine Zähne waren nicht zu sehen. Es störte mich nicht weiter. Ich wusste sowieso, wer er war. Im Moment sah er aus wie der berühmte Wolf im Schafspelz, aber wehe, wenn er sich häutete.
Ich sah die gespreizten Finger seiner Hand auf mich zukommen. Für einen Moment schwebten sie über meinem Gesicht, dann glitten sie noch tiefer und legten sich auf mein Gesicht.
Ein kalter Handballen presste sich auf meinen Mund. Das zufriedene Knurren drang durch die geschlossenen Lippen, als er mir seinen Kopf entgegensenkte. Von Sekunde zu Sekunde nahm das D auf seiner Stirn eine intensivere Farbe an.
Es war wie ein Leuchtzeichen, das mich in die neue Existenz begleiten würde. Über mir hörte ich das Flüstern. »Du wirst bald an unserer Seite sein, John, und du wirst teilhaben an unserem Glück. Das alte Leben ist schon jetzt für dich vorbei. Ich kann dir sagen, dass du es auch nicht vermissen wirst, denn mir ist es ähnlich ergangen. Und du wirst dich daran gewöhnen müssen, dass ich für immer und ewig dein Herr oder Chef sein werde.«
Er nahm seine Hand wieder zurück. Ich sah ihm an, dass es ihm schwer fiel, sich zu beherrschen, doch er wollte Justine den ersten Biss überlassen, und an diese Regel wollte er sich auch halten.
Mallmann trat zurück. Er nickte Justine zu. »Ab jetzt gehört er dir, meine Liebe. Aber nicht das gesamte Blut, das weißt du auch. Wenn ich wieder hier erscheine, weißt du genau, was du zu tun hast. Denk immer daran, dass ich der Herrscher bin.«
Sie nickte.
Mallmann schaute mich nicht mal an, als er sich umdrehte und davonging. Den Kopf hielt er hoch erhoben. Sein Mantel wehte an den Kerzenflammen vorbei, ohne dass der Stoff Feuer fing. Er bewegte sich leichtfüßig wie ein Tänzer und war Sekunden später aus meinem Gesichtskreis verschwunden.
Ich blieb liegen und schielte nach links, wo Justine stand, die sich langsam drehte. Ihre Gesichtszüge entspannten sich wieder, als sie mich anschaute. Mit den Händen strich sie über den nackten Körper hinweg. Perfekter hätte es ein Profi auch nicht machen können. »Das alles wird auch bald dir gehören, Partner.«
Ich schwieg. Das letzte Wort hatte mir am wenigsten gefallen.
Ich musste auch daran denken, dass die Erotik schon immer zum Dasein eines Vampirs gehört hatte. Diesmal war es umgekehrt. Nicht die Frau war das Opfer, sondern ich, der Mann. Da wollte sie verführen, obwohl es sonst immer oder meistens umgekehrt war.
Justine bewegte sich lässig, als sie auf den breiten Diwan kletterte. Ich würde sie nicht dazu bringen, mich loszuschnallen. Außerdem hätte ich den Kampf gegen sie verloren, denn ohne Waffen war ich ihr leider unterlegen.
Sie blieb für zwei, drei Sekunden auf dem Bett knien. Den Kopf hielt sie gesenkt, um mich anschauen zu können. Dann bückte sie sich, stützte sich mit den Händen rechts und links meines Körpers ab und glitt nach vorn auf mich zu…
***
Godwin de Salier hatte den Abbé allein und in Ruhe gelassen.
Er musste alles verarbeiten, was ihm da gesagt worden war.
Deshalb hatte er sich auf den Weg gemacht und war in den Garten gegangen, um allein mit sich und seinen Gedanken zu sein.
Es war eine wunderbar milde Sommerluft, die den Garten mit seinen blühenden Blumen erfüllte. Die schmalen Wege waren allesamt geharkt
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