1216 - Kreislauf des Bösen
Sofas. Jenseits der Treppe waren ebenfalls Kissen zu sehen. Wo immer sie wollte, konnte sie sich in diesem großen Raum niederlassen, dessen Fußboden aus einem dunklen Gestein bestand, in dem sich hellere Einschlüsse wie Adern abzeichneten. Selbst die Decke sah blank aus wie ein Himmel. Darauf verlor sich der Schein der Kerzen, sodass es wirkte, als hätten sich dort schwache und zerfasernde Sterne verteilt.
Justine war mir nachgekommen. Ich hörte, dass sie die Tür zuzog. »Na, überrascht?«
Ich drehte mich um. Sie lächelte mich an. Hinter ihr war die Tür nicht vollständig geschlossen. »Ja, ich gebe zu, ein wenig überrascht zu sein. Das hier hätte ich in der Vampirwelt nicht erwartet.«
»Nicht jeder haust so wie die übrigen Blutsauger.«
»Und was ist mit Dracula II?«
»Oh, er fühlt sich hier wohl. Hin und wieder besucht er mich. Hier habe ich auch viel über dich erfahren, John, und ich muss sagen, dass es mir gefallen hat.« Ihre Stimme war weicher geworden, und die Augen hatten einen bestimmten Glanz erhalten.
»Tatsächlich?«, fragte ich leicht höhnisch. »Was kann dir an mir schon gefallen haben? Nichts, denke ich. Ich gehöre nicht zu euch, ich hasse euch, und ich vernichte euch, wo immer ich euch antreffe. Mir könnte das an deiner Stelle nicht gefallen.«
»Ich bin anders«, flüsterte sie und ließ ihre Handflächen über meine Brust gleiten. »Ich mag starke Männer sehr, und ich mag es noch mehr, wenn ich sie besiegen kann, auch wenn es nicht so einfach ist. Das ist ein wundervolles Spiel, John. Das Spiel zwischen Mann und Frau, das selbst hier nicht vergessen ist.«
»Kann sein.«
»Und deshalb werden wir es spielen.«
So etwas Ähnliches hatte ich mir gedacht. Erst die Erotik, dann der Tod. Das verdammte Spiel war uralt. Ob in griechischen Tragödien aufgeschrieben oder in den Schriften des Mittelalters und auch in der Neuzeit. Irgendwie blieb alles gleich, denn dafür gab es Menschen, auch wenn Justine nur äußerlich eine Frau war.
Sie stand so nahe vor mir, dass ich ihr schweres Parfüm roch.
Es sollte wohl meine Sinne betören. Bei vielen Männern wäre das sicherlich der Fall gewesen, aber der Trick zog bei mir nicht, denn diese schweren und süßlichen Düfte mochte ich ganz und gar nicht. Erst recht stimulierten sie mich nicht.
»Was ist denn?«, fragte sie, als ich einen Schritt nach hinten gegangen war.
»Ich will wissen, was du wirklich willst.«
»Dich!« Das Lächeln auf ihrem Gesicht verlor sich. »Ich will einzig und allein dich. Wäre das nicht der Fall gewesen, hätte ich dich den anderen überlassen können. So aber gehörst du mir, und ich werde mit dir meinen Spaß haben.«
»Beim Blutaussaugen, wie?«
»Nicht nur, John. Es gibt noch andere Dinge, wie du dir vorstellen kannst. Wir Vampire mögen zwar unsere Seele verloren haben, nicht aber unsere Gefühle. Zumind est ich nicht.« Jetzt lächelte sie wieder. Ich brauchte nicht lange zu raten, was das bedeutete, und sie erklärte es mir noch mal. »Du kannst dich nicht dagegen wehren, John. Du bist chancenlos. Du hast es schon einmal versucht, und du hast verloren. Du hast es nicht geschafft, mich davon abzuhalten, die Vampirwelt mit dir zusammen zu besuchen.«
Das brauchte sie mir nicht unter die Nase zu reiben. Ich hatte noch gut in der Erinnerung, wie ich praktisch zu ihrem Spielball geworden war. Und jetzt sollte sich dies wiederholen, was mir überhaupt nicht passte. Zudem noch verbunden mit einer gewissen Verführung. Was danach folgte, daran wollte ich erst gar nicht denken.
Ich konzentrierte mich nicht mehr auf Justine, sondern suchte nach einem Ausweg aus der Misere.
Es gab keinen!
Ich steckte in der Falle.
Okay, ich hätte zur Tür laufen und flüchten können, aber das hätte mir nichts gebracht. Es wäre vertane Zeit gewesen. In dieser Welt hatte nur sie einen Vorteil.
Allmählich wurde mir der Ernst der Lage völlig bewusst. Die Muskeln um meinen Magen herum zogen sich zusammen.
Wenn ich Luft holte, hatte ich große Mühe durchzuatmen. Ich verfolgte Justine mit meinen Blicken, die sich lässig benahm und dabei hin und her ging.
Sie schaute mich dabei an. Sie lächelte wieder und strich mit den Händen an den vorderen Rändern ihrer Jacke entlang.
Sekunden später hatte sie das Kleidungsstück ausgezogen. Mit einer lässigen Bewegung warf sie es auf eine Liege. Sie trug noch die Hose, deren rotes dünnes Leder aussah, als wäre es auf die Haut gemalt worden, so eng saß das
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