1217 - Todfeind der Templer
etwas sagen zu hören.
Bisher war die Fläche glatt gewesen, wenn auch mit unterschiedlichen Schattierungen. Jetzt aber kam Bewegung in sie, und zwar von innen her. Es entstand kein Tunnel. Es waren dunkle Wolken, die, den Bewegungen der Hände folgend, allmählich kreisten. In der Mitte öffnete sich so etwas wie ein Tunnel. Ich sah das seltsame Licht, das ich schon aus dem Rest House kannte. Es leuchtete weder blau noch grün, sondern irgendwo dazwischen.
Dann sah ich die Landschaft.
Ein Haus, ein Kloster, sehr dunkel und zudem noch durch die nächtliche Dunkelheit umfangen. Ich sah eine Gestalt in der Nähe, ich sah einen Schatten auf dem Dach, und das Lachen der blonden Bestie lenkte mich ab.
Justine drehte sich um. »Das ist der Weg zu ihm, zu Vincent van Akkeren, dem Grusel-Star…«
»Und der nach Alet-les-Bains«, flüsterte ich.
»Genau, wenn du…«
»John!«
Der scharfe Ruf der zweiten Frau zerstörte diese trügerische Idylle. Ich drehte den Kopf, sah, dass sich Nora erhob, und dann überstürzten sich die Ereignisse…
***
Bloch wartete, bis de Salier die Tür hinter sich geschlossen hatte. Der jüngere Templer und Freund tat ihm auf irgendeine Weise auch Leid, denn er übernahm ein sehr, sehr schweres Erbe, falls das überhaupt noch möglich war, denn die Gefahr drängte sich immer dichter zusammen. Noch war sie nicht sichtbar, doch Bloch spürte sie. Es kam etwas auf sie zu, und der Abbé hatte noch nicht herausgefunden, was es war.
Er war allein in der Stille.
Bloch kannte diese Zeiten, in der die Ruhe so gut wie vollständig war. Er liebte die Stille, denn dann war er in der Lage, sich seinen Gedanken hinzugeben. In diesen stillen Zeiten ha tte er Pläne geschmiedet und sich mit Freunden und Feinden beschäftigt. Es war stets etwas dabei herausgekommen, und er hatte sich auch nie so allein gefühlt. Seine Pläne und Gedanken hatten ihn stets ausgefüllt, aber das war jetzt anders.
An diesem späten Abend fühlte er sich allein!
Und es war ein besonderes Alleinsein. Es ging verdammt tief und hatte nichts mit einer körperlichen Entfremdung zu tun.
Auch wenn Menschen um ihn herum gewesen wären, er hätte sich trotzdem einsam und verlassen gefühlt.
Der Abbé war kein Mensch, der sich vor irgendwelchen Erklärungen drückte. Auch jetzt wusste er, woran es lag, dass er sich so deprimiert fühlte. Vor der Antwort drückte er sich ebenfalls nicht. Es lag daran, dass die alten Zeiten endgültig vorbei waren. Es gab sie nicht mehr. Er hatte seine Kraft verloren. Er war alt geworden, und ausgerechnet jetzt kehrte sein größter Feind zurück. Van Akkeren hätte sich keinen besseren Zeitpunkt aussuchen können. Es stellte sich nur die Frage, wie er seinen Angriff starten würde.
Bloch hob den Kopf. Es störte ihn der Schweiß auf seinem Gesicht. Er wischte ihn mit einem Tuch ab. Dabei merkte er, dass seine Hand zitterte. Und er verspürte Angst.
Angst vor dem Ende?
Er gab es sich selbst gegenüber zu. Auch damals, als er blind gewesen war und nur durch John Sinclairs Großmütigkeit gerettet worden war, hatte ihn ein ähnliches Gefühl erfüllt.
Dieses aber war noch schlimmer geworden, denn der Abbé sah keinen Ausweg mehr. An diesem Abend fehlte ihm die Hoffnung, die damals noch vorhanden gewesen war. Heute gab es keinen John Sinclair, den er verdammt gut hätte gebrauchen können, denn er hätte die Dinge möglicherweise noch verändert. Leider war auch er gefangen, und allmählich ging der Abbé davon aus, dass das Leben für ihn dicht vor dem Ende stand.
Er saß bewegungslos auf seinem Platz und schaute nach vorn.
In der direkten Blickrichtung stand der Knochensessel, den das Licht der Kerzen so gut wie nicht erreichte. So hatte Bloch Mühe, ihn zu sehen. Er nahm neben dem Fenster nur einen dunklen Gegenstand wahr, der alles Mögliche hätte sein können.
Sein Nachfolger hatte ihm geraten, sich in den Sessel zu setzen und so einen Fluchtversuch zu versuchen. War das wirklich so gut? Es hätte sein können, falls der Sessel ihn annahm, aber der Abbé wollte nicht flüchten. Es war einfach nicht seine Art, sich den Problemen auf diese Weise zu entziehen. Er hatte es nie getan. Er war stets in das Zentrum hineingestiegen, egal wie groß die Gefahren auch gewesen waren. Er wäre sich sonst wie ein Feigling vorgekommen.
Und so blieb er an seinem Tisch sitzen und wartete auf das Erscheinen des Vincent van Akkeren. Er hatte Zeit. Er konnte alles selbst bestimmen, wann er erscheinen
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