1217 - Todfeind der Templer
unteren Hälfte. Ein Mund verzog sich in die Breite, um etwas zu zeigen.
Das Mädchen tat nichts, und auch der Abbé saß starr auf seinem Stuhl. Das nicht nur, weil das Gesicht dort im Fensterausschnitt erschienen war und der Mann, dem es gehörte, vom Dach her an der glatten Hauswand herabgeklettert sein musste, denn in diesem Augenblick erkannte Bloch den Mann.
Es war Michel, einer der Templer. Was ihn zuerst als Scha tten irritiert hatte, entpuppte sich plötzlich als Bart. Er war gewissermaßen das Markenzeichen des Mannes.
Wie er sich in dieser Kopfüber-Haltung an der Hauswand festhielt, war dem Abbé ein Rätsel, aber er hatte es tatsächlich geschafft, und es erschien sogar ein Arm mit der dazugehörigen Hand.
Der Arm pendelte hin und her, als wollte Michel ausholen. In der unteren Hälfte des Gesichts zuckte der Mund. Eine Zunge schlug hervor wie ein dicker Wurm, und etwas Helles malte sich an der Oberlippe ab.
Zwei Zähne!
Vampirzähne!
Bloch stöhnte auf, als er begriffen hatte, was mit Michel passiert war. Im gleichen Moment schlug Michel zu. Er hatte genügend Kraft gesammelt, um sein erstes Ziel zu erreichen.
Mit der Faust hämmerte er von außen her gegen die Scheibe.
Die Hand war so hart wie ein Stein, und das Glas hatte keine Chance, ihr zu widerstehen.
Clarissa und der Abbé hörten das Splittern der Scheibe, dazwischen auch platzende Geräusche und in der nächsten Vorwärtsbewegung wuchtete Michel seinen Körper in den Raum hinein…
***
Michel konnte plötzlich fliegen, diesen Eindruck hatte Bloch jedenfalls. Durch den eigenen Schwung flog er über den Knochensessel hinweg und hinein in den Raum. Dass einige Glasscherben in seinem Gesicht steckten, störte ihn nicht weiter, denn er war kein Mensch mehr, sondern ein verfluchter Blutsauger.
Während des Sprungs zog er noch die Beine an, sodass er nicht mit dem Bauch zuerst aufprallte. Er fing sich ab und richtete sich noch in der gleichen Sekunde auf.
Der Abbé wollte ebenfalls hochspringen, aber er fand einfach nicht die Kraft. Er sah den Vampir und auch das Mädchen in seiner Nähe. »Clarissa!«, rief er stöhnend. »Bitte, du musst fliehen. Versuche es zumindest. Flieh endlich!«
Das Mädchen blieb stehen.
Es schaute starr auf den Blutsauger. Und wie es dort stand, schien es nicht die Spur von Angst zu empfinden, obwohl sich der Templer in ein Monstrum verwandelt hatte.
Der Abbé dachte auch nicht darüber nach, wer ihn gebissen haben könnte, er wollte nicht mehr tatenlos zuschauen und musste Clarissa aus der Gefahrenzone schaffen.
Plötzlich war seine Starre vorbei. Er hatte das Gefühl, Flügel bekommen zu haben, so schnell huschte er hinter dem Tisch hervor. Bevor Clarissa etwas unternahm, war er bei ihr, riss sie zur Seite und kümmerte sich um Michel.
Der Abbé trug das Kreuz aus Holz vor seiner Brust. Ein großes Ding hing noch im Zimmer. Das hier war keine Welt für einen Blutsauger, aber Michel dachte nicht daran, den Abbé an sein eigenes Kreuz gelangen zu lassen. Er war schneller.
Zugleich mit der rechten Faust fegte dem Abbé ein Fauchen entgegen. Das tat ihm nichts, aber der Schlag, der ihn in der Körpermitte erwischte, war schon schlimm. Er hatte den ungeschützten Leib unvorbereitet getroffen, und der Templer klappte einfach zusammen. Er würgte, taumelte dabei noch einige Schritte zur Seite, bis ihn die Kraft verließ und er langsam zu Boden sank.
Clarissa hatte sich noch immer nicht bewegt. So wie sie sich verhielt, schien sie alles im Griff zu haben. Was Bloch nicht glauben wollte. Er versuchte immer wieder, sie zu warnen, aber durch den Schlag war ihm die Stimme genommen worden. Er konnte nicht mehr reden und brachte nur ein Würgen zu Stande.
Michel kümmerte sich um Clarissa. Er sah sie als eine leichte Beute an. Er leckte über seine Lippen, griff nach ihr, aber das Mädchen war schneller.
Es bewies, dass man sich in der anderen Welt mit ihr beschäftigt hatte. Dort war ihr etwas beigebracht worden, und sie fing die zupackenden Hände mit einer geschickten Bewegung an den Handgelenken ab.
Der Untote war überrascht. Mit diesem kraftvollen Widerstand hatte er nicht gerechnet, und mit der anschließenden Aktion auch nicht. Die wesentlich kleinere Clarissa gab ihm einen heftigen Stoß und ließ ihn zugleich los.
Michel war nicht mehr in der Lage, seinen Lauf zu stoppen.
Rückwärts lief er wieder auf das Fenster zu, durch das er gekommen war. Er wäre beinahe noch auf den Scherben ausgerutscht,
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