1218 - Dämonenflucht
will…«
»Lass mich ausreden.«
Die blonde Bestie hatte schon zum zweiten Versuch angesetzt, aber etwas störte sie oder ließ das Misstrauen in ihr hochkeimen. »Was hast du mir als Ausrede zu sagen?«
»Es ist keine Ausrede. Ich denke nur an einen gewissen Vincent van Akkeren. Was glaubst du, wird er dazu sagen, wenn er mich blutleer hier im Bett findet? Er hat davon geträumt, mich umbringen zu können, und diesen Traum wird er mit aller Macht verfolgen. Wenn du ihm dabei in die Quere kommst, wird es nicht gut für dich aussehen, das kann ich dir versprechen. Oder willst du van Akkerens Blut ebenfalls trinken?«
»Das hatte ich nicht vor.«
»Eben.«
»Aber es stört mich auch nicht, wenn er durchdreht. Mir sitzt das Hemd näher als der Rock. Ich bin leider genug in der letzten Zeit enttäuscht worden. Wäre Sinclair nicht geflohen, brauchten wir beide nicht zu reden. Leider ist es anders gekommen. So bin ich genötigt, mir Ersatz zu besorgen. Irgendwann ist der Hunger grenzenlos, und dann muss ich mich sättigen. Das verstehst du doch - oder?«
»Nein, aber es kann alles stimmen. Ich kann mich nicht wehren, ich will es auch nicht, ich wollte dir nur erklären, dass es nicht gut ist, wenn du mein Blut…«
»Er hat Recht!«
Eine scharfe Männerstimme war hinter dem Rücken der Blutsaugerin aufgeklungen. Justine brauchte sich nicht zu drehen, um zu wissen, wer klammheimlich das Schlafzimmer betreten hatte. Es war Vincent van Akkeren, und er musste den Weg durch das offene Fenster genommen haben. Sie ärgerte sich jetzt, dass sie sich durch die Worte des Templers zu stark hatte ablenken lassen. Da war ihr die Umgebung völlig egal geworden, und das rächte sich nun.
»Du, Vincent?«
»Wer sonst? Hast du mich vergessen?«
»Nein!«
»Es scheint mir so zu sein. Sonst hättest du nicht versucht, das Blut des Abbé zu trinken.«
Justine richtete sich aus ihrer gebeugten Haltung auf. Sie drehte sich van Akkeren zu, als sie aufrecht stand.
Er hielt sich nahe der Tür auf. Und seine kompakte Gestalt sah aus wie zum Sprung bereit. Er hätte eingegriffen, dessen war sich Justine sicher. Nun musste sie dafür sorgen, dass sich die Lage entspannte. Sie schleuderte mit einer lockeren Bewegung ihre blonde Mähne zurück und sagte mit leiser Stimme: »Man kann es ja mal versuchen…«
»Nicht mit mir.«
»Wir sind keine Partner.«
»Stimmt. Aber Verbündete. Da sollte man sich auch an die Regeln halten. Ich möchte, dass du endlich begreifst, wem der Abbé gehört. Nämlich mir. Zu lange habe ich auf diesen Tag und diese Begegnung gewartet. Ich habe sie mir immer wieder ausgemalt und bin nun froh, das Ziel erreicht zu haben. Ich lass es mir von keinem anderen mehr nehmen. Auch nicht von dir.«
Er deutete über seine Schulter zurück. »In diesem Haus gibt es genügend Menschen, deren Blut du trinken kannst. Du wirst sogar mehr als satt sein, aber lass Bloch in Ruhe, denn er gehört mir. Mir ganz allein.«
Justine hatte begriffen. Sie lächelte und legte den Kopf schief.
»Klar, Vincent, ich habe dich verstanden. Ich überlasse ihn dir, aber ich habe noch etwas gut bei dir.«
»Das interessiert mich nicht.« Er war schnell bei ihr und schob sie wie einen lästigen Gegenstand zur Seite. »Hier habe ich das Sagen, und du solltest so schnell wie möglich verschwinden. Geh zu den anderen. Noch ist die Nacht da.«
»Danke für den Rat«, erwiderte sie spöttisch, um dabei einen letzten Blick auf den Abbé zu werfen. Sie sprach ihn sogar an.
»Bei mir hättest du dein Leben zwar auch verloren, aber ein anderes gewonnen. Daran solltest du denken, wenn ich dich jetzt mit ihm allein lasse.« Justine schickte dem Templer ein letztes Lächeln und entblößte dabei ihre Eckzähne. Dann verschwand sie lautlos aus dem Schlafzimmer und ließ die beiden Männer allein zurück…
***
Keiner der Templer konnte schlafen, denn es war einfach zu viel geschehen. Die Männer waren aufgewühlt. Sie hatten den Tod eines Bruders zu beklagen und waren nicht mal in der Lage, ihn normal zu begraben.
Und sie wussten auch, dass die Stunden der Nacht noch lang werden konnten. Die andere Seite hatte noch nicht aufgegeben, das brauchte der Nachfolger des Abbé seinen Freunden erst gar nicht zu sagen. Er hatte sie alle besucht. Er hatte mit ihnen gesprochen, und sie waren zu dem Entschluss gekommen, sich gegen die Angreifer zu wappnen. Ihre Vorfahren hatten sich auf Schwerter, Lanzen und Hellebarden verlassen. Sie hatten mit Dolchen und
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