1218 - Dämonenflucht
über seinen breiten Mund wischte. Jetzt fühlte er sich besser und auch wieder kraftvoller.
Die Zeit jedenfalls, die er Justine Cavallo vorgegeben hatte, war von ihm gut ausgenutzt worden.
Satt ging er mit federnden Schritten dem Ausgang entgegen.
Neben dem Koch blieb er stehen. Die Blutlache unter dem Gesicht war inzwischen größer geworden. Der Mann zuckte hin und wieder. Sein Jammern klang erbärmlich, doch Mitleid kannte jemand wie der Grusel-Star nicht.
Er ging in die Hocke und hob den Kopf des Mannes an, damit er ihm ins Gesicht schauen konnte. In der Mitte sah es schrecklich aus. Zudem waren auch einige Zähne zerstört. Aus der Nase rann das Blut hinein bis in den offenen Mund.
»Sei froh, dass du noch lebst. Es hätte auch anders kommen können. Hätte ich nichts zu essen gefunden, wärst du jetzt tot. Denk immer daran, du komischer Koch.«
Er ließ den Kopf los, und der Mann fiel wieder mit dem schon verletzten Gesicht zu Boden.
Van Akkeren stand auf. Der Koch kümmerte ihn nicht mehr.
Er musste selbst sehen, wie er mit seinen Verletzungen fertig wurde. Sein Weg würde ihn jetzt wieder zurück zum Kloster führen.
Er öffnete die Eingangstür, blieb aber noch auf der Schwelle stehen, weil er die Stimmen der jungen Leute hörte, die auf der gegenüberliegenden Seite leicht angetrunken von einer Party nach Hause gingen, zwischendurch stehen blieben und Wein aus Flaschen tranken.
Der Grusel-Star wartete, bis sie nicht mehr zu sehen waren.
Dann verließ er mit einem guten Gefühl den unmittelbaren Bereich des Restaurants.
Für seine nächsten Aufgaben fühlte er sich perfekt gerüstet…
***
Ich saß auf dem Knochensessel und konnte nur hoffen, dass er mich auch akzeptierte. Das war nicht bei jedem so. Andere Menschen wies er auf seine Art und Weise ab. Er wurde dann zu einem Mordinstrument, denn da konnten sich plötzlich die Knochen bewegen und sich um den Hals des Sitzenden zusammenziehen.
Es war wieder eine der Situationen, in denen ich alles so überdeutlich erlebte. Ich spürte die Knochen unter mir. Sie waren hart und nachgiebig zugleich. Aber sie sackten nicht durch und hielten meinem Gewicht stand.
Der Sessel konnte mich retten. Er war so etwas wie der Garant für eine Dimensionsreise. Aber nicht in die Vergange nheit, sondern zu einem anderen Flecken hin. Zu einer Insel, die Avalon hieß. Das jedenfalls hatte ich schon erlebt.
Auf der anderen Seite konnte ich nie sicher sein, dass mich der Sessel auch nach Avalon transportierte und nicht in eine mir völlig unbekannte Welt. Das alles schoss mir wohl in der einen Sekunde durch den Kopf, in der ich saß und mit den Blicken die Wirklichkeit erlebte, die sich vor mir abspielte.
Die Realität bestand aus Justine Cavallo. Sie war mir gefolgt.
Sie war sich ihrer Sache auch sicher gewesen. Jetzt, als ich saß, brauchte sie eigentlich nur zuzugreifen, was sie allerdings nicht tat. Sie ging auch nicht den letzten Schritt, um mich zu erreichen. Wie vor eine Mauer gelaufen, blieb sie plötzlich stehen, als hätte sie zusätzlich noch eine scharfe Warnung erhalten.
Justine Cavallo starrte mich an.
Sie schüttelte den Kopf. Ihre Augen weiteten sich. Dabei veränderte sich auch der Ausdruck in ihrem Gesicht. Ich nahm so etwas wie Staunen wahr, das sie mir entgegenschickte, und das musste nicht unbedingt nur an dem Knochensessel liegen.
Ich selbst trug daran wahrscheinlich eine gewisse Schuld.
Und ich spürte in mir die Veränderung. Schon beim ersten Kontakt war mir das ungewöhnliche Rieseln aufgefallen, das durch meinen gesamten Körper floss. Von den Zehenspitzen bis hoch zum Kopf war es zu spüren, sodass sich beinahe meine Nackenhaare aufrichteten. Ich saß zwar auf dem Knochensessel, zugleich allerdings kam ich mir vor, als wäre mir das Eigengewicht genommen worden. Ich kam mir leichter vor, ich wurde noch immer leichter, und ich sah, wie sich das Zimmer und Justine vor mir veränderten.
Wenn jemand durch ein Weitwinkelobjektiv schaut, erlebt er Ähnliches. Da verzerren sich die Perspektiven. Er hat dann den Eindruck, dass die einzelnen Teile des Motivs, die er durch sein Guckfenster sieht, immer weiter zurücktreten, als hingen sie an unsichtbaren Fäden, um sie von dem Betrachter zu entfernen.
Es war unwahrscheinlich, denn nicht allein die Umgebung verschwand vor meinen Augen, auch Justine Cavallo geriet immer mehr in den Hintergrund, und ich selbst verlor zusehends an Gewicht.
Ich war da und zugleich nicht mehr da.
Dafür
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