122 - Der Geisterwolf
sterben, wenn wir vollzählig sind. Bis dahin hältst du dich besser von ihr fern.«
Der andere trat zur Seite, und Douglas trat mit Vicky Bonney ein. Der zweite Werwolf folgte ihnen.
»Ich brauche eine Schnur«, sagte Douglas. »Ich will das Mädchen fesseln.«
»Hier, nimm meinen Gürtel«, sagte der andere und zog den Lederriemen durch die Schlaufen.
Spencer Douglas riß Vicky Bonney mit sich. Er nahm den Gürtel seines Wolfsbruders und fesselte das Mädchen damit an ein Eisenrohr. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß der Lederriemen gut saß, verließ er mit dem anderen die Mühle.
»Sie ist eine Schönheit«, sagte der Breitschultrige.
»Sie wird allen gefallen«, erwiderte Spencer Douglas, während sein Blick über die breite Themse wanderte. »Clark Dern lebt nicht mehr«, sagte er gepreßt.
»Was ist passiert?«
»Er wurde erschossen. Mit geweihtem Silber. Im Kaufhaus. Er hatte nicht die geringste Chance.«
»Ein bedauerlicher Verlust, aber er wird uns nicht davon abhalten, heute nacht das große Wolfsfest zu feiern. Was in den anderen Vollmondnächten dieses Jahres geschah, muß verblassen gegen das, was wir heute tun werden. Ich war so ungeduldig, daß ich es daheim nicht mehr aushielt. Sobald wir vollzählig sind, werden wir dieses Mädchen töten, und dann ziehen wir los. Es muß für die Menschen eine unvergeßliche Nacht werden.«
»Das wird es«, sagte Spencer Douglas überzeugt.
***
Ein Wagen hielt vor Jack Wannamakers Haus, ohne daß dieser es mitbekommen hätte. Wannamaker war mit seinen Gedanken weit fort, und er war mit seinem brennenden Seelenschmerz allein.
Ich trat ans Fenster und sah Mr. Silver aus einem Taxi steigen. Etwas an seiner Haltung gefiel mir nicht. Er wirkte müde, nicht so vital und elastisch wie sonst.
Eine schwere Last schien auf seine Schultern zu drücken. Ich witterte nichts Gutes. Irgend etwas mußte geschehen sein.
Ich ließ ihn ein. »Ich habe dich früher erwartet. Hier war inzwischen der Teufel los.« Ich erzählte ihm von Claudette O’Haras unverhofftem Auftritt, und wie die Sache geendet hatte. Als ich den weißen Wolf erwähnte, hob Mr. Silver erstaunt die linke Augenbraue.
»Konntest du Vicky davon überzeugen, daß es besser für sie ist, zu Hause auf mich zu warten?« fragte ich.
Der Ex-Dämon blickte mich ernst an. »Tony, ich muß dir etwas sagen.«
»Das sah ich dir schon an, als du aus dem Taxi stiegst«, erwiderte ich, »Du hast eine unangenehme Nachricht für mich. Betrifft sie Vicky?«
»Leider ja. Sie ist verschwunden. Clark Derns Freund Spencer Douglas scheint sie entführt zu haben. Ich halte Douglas für ein schwarzes Wesen.«
»Dann befindet sich Vicky jetzt in der Gewalt eines Werwolfs!«
»Ich habe versucht, sie zu finden, aber leider…«
Ich hatte das Gefühl, mit nackten Füßen in Eiswasser zu stehen. Die Kälte kroch rasch hoch und überflutete mich. In der Gewalt eines Lykanthropen war Vicky ihres Lebens nicht sicher.
Vielleicht hatte er sie nur an einen Ort gebracht, wo er mit ihr allein war, damit er sie ungestört… töten konnte. Ich fuhr mir nervös über die Augen.
Mr. Silver kannte meine Gedanken. »Du darfst nicht so schwarz sehen, Tony. Wir holen sie uns wieder.«
»Wie denn? Wir haben keine Ahnung, wohin Douglas sie verschleppt hat. Sie kann überall in der Stadt sein. Douglas kann mit ihr London auch verlassen haben.«
»Vielleicht hat sie die Möglichkeit, Tucker Peckinpah eine Nachricht zukommen zu lassen.«, »Das wird Spencer Douglas zu verhindern wissen,«
»Vicky ist ein äußerst kluges Mädchen«, sagte Mr. Silver. »Es könnte ihr gelingen, Douglas auszutricksen.«
»Du willst mich nur trösten.«
»Du mußt an Vicky glauben, Tony«, sagte der Ex-Dämon eindringlich. »Sie ist mutig und intelligent, und du hast ihr beigebracht, niemals das Handtuch zu werfen.«
»Wenn sie wenigstens bewaffnet wäre, aber ihre Handtasche befindet sich in meinem Wagen.«
»Ich setze trotzdem auf sie, und ich bin sicher, daß ich nicht verlieren werde.«
***
Mit langen Sätzen hetzte der Wolf durch die Nacht, ein starkes, geschmeidiges Tier. In menschlicher Gestalt hieß er Frank Crockett. Er war Antiquitätenhändler und kam in ganz England herum.
Er hatte geschäftlich auf dem Land und in den Städten zu tun, war häufig auf Reisen, und er wurde zum Wolf, wo immer der Vollmond ihn erwischte.
Er hatte in Vollmondnächten schon an vielen Orten gewütet. Am nächsten Morgen war er weitergereist, und
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