1223 - Ordobans Erbe
denke laut nach, das ist alles."
Ob ich die Wahrheit spreche oder mir selbst etwas vorlüge? Ich mag es nicht beurteilen.
Ein hoffnungsvolles Volk der Na'gu Nakira wurde ausgerottet, und es starb leise und klaglos an gebrochener Seele...
Wie seltsam! denke ich wieder. Wie seltsam es sich anhört!
Und doch ist es so gewesen.
Ich sehe sie noch vor min die ungeschlachten, bärenstarken Wesen in ihrer großen Gastfreundschaft, mit der höflichen Bestimmtheit, mit der sie unsere Ideen abwiesen, und mit der ganzen Zartheit ihrer Gefühle, denen sie ihre körperlichen Handlungen unterordneten. Als wir ihnen unseren Willen aufzwingen wollten und sie spürten, daß wir die Kraft besaßen, ihn auch durchzusetzen, da zogen sich diese unheimlichen Intelligenzen zurück - schweigend, traurig, ihrer Illusionen beraubt und aus ihrem Reich der Sensibilität herausgerissen. Daran gingen sie zugrunde. Sie starben so still und unauffällig, wie sie gelebt hatten.
Wie seltsam!
Die Sonne schickt sich an, hinter der Kimmung zu versinken, während sie Speere flammendroten Lichtes zu uns herüber schickt. Helicron hält sich einen Arm vor das Auge, um nicht geblendet zu werden, und auch ich wechsele ständig die Blickrichtung. Nur Zibbatu scheint die Grelle nichts auszumachen. Er steht reglos, den kleinen Kopf mit der runzligen Haut hat er nicht gesenkt.
Ich denke plötzlich daran, daß dies jetzt unser Land ist - ein weiterer Planet in den blutigen Gefilden der Nagu Nakira, den die Saddreykaren der XXV. Flotte für das Imperium erobert haben...
Eine makabre Vorstellung, und im gleichen Atemzug schäme ich mich fast für diese Assoziation.
Nein! Wir haben kein Recht, auf diese Welt Besitzansprüche zu erheben. Wir sind als Missionare gekommen, und das hier ansässige Volk ist durch unsere Intervention ausgerottet worden. Es gibt kein Gesetz, das uns verbietet, die jetzt herrenlose Welt zu annektieren. Aber es gibt eine Ethik und eine Moral, die es verbieten!
Ohne sie gefragt zu haben, fühle ich mich in diesem Punkt einig mit Zibbatu und Helicron, ja sogar mit Azizbul, dem Nächstkommandierenden, der droben im Orbit auf unsere Rückkehr wartet. In diesen Augenblicken der Andacht bin ich kein Kämpfer, kein Feldherr und kein Eroberer. Ich bin nur Ordoban, ein Saddreykare, der stellvertretend für alle seine Artgenossen einem schuldlos vernichteten Volk die letzte Ehre erweist.
Die Sonne versinkt hinter dem Horizont, und das Licht über dem weiten, kargen Land wird noch düsterer, noch intensiver in seinem tiefen Blutrot. Die Hitze hat meinen Mund inzwischen völlig ausgetrocknet.
Trotzdem bewege ich die Lippen und sage, was ich entschieden habe.
„Wir gehen, ohne die Welt der Nor-Gamaner in Besitz zu nehmen. Ich werde dafür sorgen, daß diese Zone zum Sperrgebiet erklärt wird. Kein fremdes Raumschiff soll jemals wieder hier landen. Sie sollen mit ihrer eigenen Welt ein würdiges Grab haben, und niemand soll ihre letzte Ruhe stören. Das bestimme ich, Ordoban, im Namen der Völker von Nor-Gamaner."
Zibbatu packt mich mit einem seiner dünnen Ärmchen.
„Recht getan, Kommandant! Ich hätte nicht anders gehandelt."
Helicron ist nicht begeistert, daß der Zwerg solche Kommentare geben darf, aber sein Respekt vor mir ist zu groß, als daß er den Mut aufbrächte, etwas dazu zu sagen.
Widerwillig macht er eine Handbewegung, die Zustimmung ausdrückt.
„Eine weise Entscheidung, Ordoban. Der Verzicht auf diesen Stützpunkt ist in der Tat das mindeste, was wir den Bedauernswerten schulden."
Ich wende mich wortlos ab, weil ich spüre, daß seine Bemerkung von zweckorientierten Erwägungen diktiert ist. Hätte ich anders entschieden, er hätte es ebenso gutgeheißen.
Ich bin erfahren genug, solche Dinge zu spüren.
Der Raumgleiter, mit dem wir gekommen sind, wartet. Fast übergangslos bricht jetzt die Nacht herein, und die Positionslichter der Maschine sind wie kalte, stechende Augen: Lichter der Technik auf einer entseelten Welt.
*
„Vishna...?"
Irgendwie hatte er erwartet, daß seine Stimme hohl, verzerrt oder auf sonstige Weise entstellt klingen müßte. Nichts dergleichen war jedoch der Fall. Sie hörte sich an wie immer. Wären da nicht die grellen Positionslichter des Raumgleiters in tief dunkler Nacht gewesen, er hatte nicht geglaubt, daß er sich auf einer fremden Welt befand.
„Ich höre dich, Nachor", kam die Antwort der Kosmokratin - so klar und deutlich zu verstehen, als stünde sie unmittelbar neben
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