1223 - Voodoo-Falle Ostsee
einem Gürtel aus niedrig gewachsenen Bäumen, Büschen und kleinen Hecken aus. Auch jetzt glitten noch immer Boote über das Wasser. Die bunten Segel und auch die der Surfer ließen das Meer wie einen großen Malkasten aus verschiedenen Farben erscheinen.
Ich öffnete die Balkontür, weil ich endlich eine andere Luft einatmen wollte. Es gab einen kleinen Tisch, zwei Stühle, und es war auch noch Platz für einen Liegestuhl. Der warme Wind brachte einen frischen Geruch mit. Ich hörte die Stimmen der Spaziergänger, aber plötzlich waren sie nicht mehr da. Vielleicht auch abgesackt, für mich ins Bodenlose verschwunden, denn mein Blick saugte sich an etwas fest, das auf dem Liegestuhl lag: Es war ein bleicher Totenschädel!
***
Die Überraschung oder den Schock hatte ich schnell überwunden. Ohne mich zu bewegen, blieb ich stehen und lauschte, ob irgendein Geräusch zu hören war.
Nein. Allmählich kehrte die normale Geräuschkulisse wieder zurück, aber der Totenschädel blieb dort liegen. Ich bildete ihn mir nicht ein, und er war nicht nur einfach ein Schädel, er musste eine Bedeutung haben, sonst hätte man ihn nicht hier abgelegt.
Mir war nicht bekannt, wann dieser Mensch, zu dem der Schädel gehörte, gestorben war, aber die Hinterlassenschaft sah noch sehr gut erhalten aus. Das bleiche Gebein mit seinem gelblichen Schimmer hatte weder Lücken noch Risse bekommen, abgesehen von den Öffnungen, die mal die Augen, die Nase und den Mund beherbergt hatten.
Zum Spaß hatte niemand diesen Totenkopf hier auf den Balkon gelegt. Er sollte gefunden werden, und mit ihm war eine Botschaft verbunden, davon ging ich einfach aus. Nur war ich sicherlich der falsche Finder. Ich sah den Schädel mehr als eine Hinterlassenschaft für Bella Luna an. Nur hatte sie ihn noch nicht entdeckt.
Ich spähte über die Balkonbrüstung hinweg, um den Weg und auch das hinter ihm liegende Buschwerk zu beobachten. Dort konnte sich jemand versteckt haben, um den Balkon zu beobachten. Nach Janes Aussagen gab es keinen anderen Weg für die Voodoo-Seite. Es war ihr wichtig, dass sie immer in der Nähe der Künstlerin blieb.
Etwas, was meinen Verdacht erregt hätte, bekam ich nicht zu Gesicht. Die Menschen auf dem Weg gingen normal. Einige kamen bepackt vom Strand zurück, andere wiederum gingen zum Essen, natürlich in leichter Sommerkleidung. Oder sie wollten einfach nur den herrlichen Beginn des Sommerabends erleben.
Den Schädel hatte ich nur beobachtet und mich noch nicht getraut, ihn anzufassen.
Für mich war er kein normaler Schädel. Er hatte eine Bedeutung. Er war der Gegenstand eines Rituals, in das auch die mir noch unbekannte Bella Luna eingeführt werden sollte. Ich bezweifelte, dass man ihr unbedingt ans Leben wollte. Man konnte sie auch für etwas vorgesehen haben, über das sie nicht informiert war. Jane Collins auch nicht, und ich ebenfalls nicht.
Den Schädel hier liegen zu lassen, brachte nichts. Wenn ich tatsächlich von einem versteckten Ort beobachtet wurde, dann wollte ich auch zusehen, dass sich gewisse Dinge entwickelten.
Das konnte nur geschehen, wenn ich den Schädel an mich nahm und ihn von diesem Balkon wegbrachte. Dann war die andere Seite gezwungen, wieder zu handeln, weil ihr Zauber nicht in unrechte Hände gelangen durfte.
Nach einem letzten Rundblick, der mich auch nicht schlauer machte, bückte ich mich dem Schädel entgegen und umfasste ihn behutsam mit beiden Händen.
Diese Totenköpfe können manchmal sehr zerbrechlich sein.
Bei diesem hier war das nicht der Fall. Er kam mir sogar recht schwer vor, was mich wiederum wunderte.
Ich konnte mir auch vorstellen, dass er gereinigt worden war, denn an keiner Stelle malte sich ein Schmutzklumpen ab und ich sah auch keinen Hautfetzen.
Noch immer gebückt schaute ich in die Löcher hinein. Weder in den Augen, noch in den Höhlen von Mund und Nase war etwas zu sehen. Ich hob ihn vorsichtig an und richtete mich zugleich auf. Ich wusste nicht, was mich gewarnt hatte oder ob ich überhaupt gewarnt wurde, vielleicht war es auch nur ein Gefühl, das mich irge ndwie ablenkte und dafür sorgte, dass ich den Kopf nach rechts drehte, um über die Brüstung schauen zu können.
Die Gestalt stand auf dem Weg wie hingebeamt. Ein dunkelhäutiger Mann mit einem Strohhut auf dem Kopf. Den Oberkörper verdeckte ein knallrotes Hemd, aber das war alles nicht wichtig. Ich sah nur das Blasrohr, das der Mann gegen seine Lippen gedrückt hatte. Und dann bewegten sich seine
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