1225 - Die Reliquie
sich nicht sicher gewesen ist, ob es auch die Knochen gewesen sind, die er suchte. Er hat drei von ihnen mitgenommen und wollte erst mal auf Nummer sicher gehen, verstehst du? Er hätte sie in Paris oder auch anderswo in Frankreich bestimmten Personen gezeigt, um dann zu erfahren, ob es die richtigen oder die falschen Gebeine sind.«
»Sehr gut. Aber von wem?«
»Das weiß ich auch nicht.« Suko beugte sich über den Sarg hinweg. »Wenn es die richtigen Gebeine gewesen wären, dann wäre er wieder hierher zurückgekehrt und hätte den Schädel geholt. Eine andere Möglichkeit kann ich mir nicht vorstellen.«
»Ausgezeichnet.«
»Meinst du das ehrlich?«
»Sicher. Mir fällt keine bessere Lösung ein. Nur wissen wir noch immer nicht, wem die Knochen gehören. Es war eine Frau, aber auch sie war nicht namenlos, und sie muss eine große Macht gehabt haben. Denk nur mal daran, wo wir hier sind. Umgeben von Wasser, das eigentlich auch hier in die Kirche hätte hineinlaufen müssen, was aber nicht der Fall gewesen ist. Eine mächtige Kraft hat es davon abgehalten. Warum ist das geschehen? War die Kraft wirklich so groß? Oder haben wir eine andere Welt betreten, vielmehr eine andere Zeit.«
»Daran glaube ich eher.«
Ich hob die Schultern. »Dann ist in dieser kleinen Kirche die Zeit aufgehoben worden. Dann befand sie sich möglicherweise in einer Zeitschleife und befindet sich dort noch. Wäre nicht das erste Mal, dass wir so etwas erleben. Um sie herum ist alles normal, aber in ihr nicht. Und das kann nur mit dieser Reliquie zusammenhängen. Mehr weiß ich auch nicht und kann ich auch nicht sagen.«
»Aber wir müssen etwas tun.«
»Sicher.«
»Ich würde den Totenkopf nicht hier unten im Sarg lassen. Tallier hat die drei Knochen mitgenommen und den Schädel hier im Sarg gelassen. Ich bin der Meinung, dass wir den Schädel mitnehmen sollten. Kann sein, dass er uns an Land mehr bringt. Außerdem glaube ich, dass es zwischen ihm, den Templern und Baphomet eine Verbindung gibt, in die auch Eric Tallier integriert war. Es sollte zudem alles geheim bleiben. Er hat sich nicht grundlos umgebracht, weil er merkte, dass er aus der Falle nicht mehr herauskam. Dass es ausgerechnet gegen dich ging, war sein persönliches Pech. Damit hatte er nicht rechnen können. Ich bin auch davon überzeugt, dass er dich schon vorher gekannt hat. Wenn auch nicht persönlich, dann zumindest aus Warnungen und Erzählungen. Fazit, John: Die Knochen hier sind wichtig, aber der Dieb hat nicht gewusst, ob es auch die Gebeine waren, die er suchte.«
Ja, da hatte mein Freund Recht. Für seinen Geschmack hatte Suko eine sehr lange Rede gehalten. Ansonsten sprach er nicht so viel. Er blieb zwar nicht stumm, aber er war ein Mensch, der versuchte, das Wichtige in wenige Worte zu fassen.
Bisher hatte keiner von uns den Schädel berührt. Als ich eine Handbewegung machte, verstand Suko sie falsch.
»He, willst du dein Kreuz…«
»Nein, nein, keine Sorge. Ich werde mich hüten, den Test mit dem Kreuz zu machen. Schließlich will ich den Schädel nicht zerstören, und das könnte leicht passieren.«
»Eben.«
»Wir lassen ihn trotzdem nicht hier liegen.«
»Einverstanden. Wer nimmt ihn?«
»Ich!«
»Wie du willst.«
Sehr zufrieden hatte Sukos Antwort nicht geklungen, und ich schaute ihn fragend an. »Stört dich was?«
»Nicht direkt. Ich frage mich nur, ob alles so bleibt wie es bisher gewesen ist.«
»Was könnte sich ändern?«
»Das Wasser, John. Wenn wir den Schädel anheben, kann die Magie hier, die alles im Lot hält, gestört werden. Genau davor fürchte ich mich. Stell dir mal vor, die Wassermassen kippen über uns zusammen. Möglicherweise hat Eric den Schädel auch deshalb liegen gelassen.«
»Nein, da bin ich anderer Meinung.«
»Warum?«
»Okay, es gibt keine hundertprozentige Sicherheit. So lange der Schädel sich hier im Bereich der Kirche befindet, ist eine Sicherheit gewährleistet. Wenn wir ihn heben, dann befindet er sich zwar nicht mehr in seinem Sarg, aber noch immer innerhalb der Kirche. Deshalb mache ich mir keine so großen Sorgen.«
Suko zuckte mit den Schultern. »Okay, das Risiko müssen wir eingehen. Ich schnalle mir trotzdem die Pressluftflasche wieder um, bevor wir die Kirche verlassen.«
»Glaubst du denn, ich bin ein Fisch?«
»Dann fang an.«
Ich benötigte beide Hände, um den bleichen Schädel vom Sargboden anzuheben. Oft genug schon hatten wir uns mit Totenköpfen beschäftigen müssen und hatten
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