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1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Smith
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er mehr als einmal triumphierende Blicke in Richtung des kaiserlichen Gesandten schleuderte.
    Wie Severin vorausgesagt hatte, begann direkt im Anschluss der so genannte »Tjost«, womit die Zweikämpfe mit Lanze, Schwert und Morgenstern gemeint waren. An beiden Enden der Turnierbahnen wurden die Wappen der ersten vier Kontrahenten gehisst, bevor der Herold vortrat und die Paarungen verkündete:
    »Wohlan, lasst uns die tapferen Ritter willkommen heißen und freuen wir uns auf kurzweilige und ehrenhafte Zweikämpfe. Im ersten Wettstreit tritt Ritter Marquard von Westfalen gegen den vielmaligen Turniersieger Sir Brian Lancaster an. Auf der zweiten Bahn misst sich Graf Ingolf von Reinhardtsheim, Lehnsherr derer zu Dieburg, mit Ritter Fridolin von Rodenbach.«
    Die Fanfare erklang und aus der Richtung der Zelte trabten vier Ritter in prächtigen Rüstungen heran, in ihrem Gefolge je zwei Knappen, die an den Lanzen, Schwertern und Morgensternen ihrer Herren schwer zu schleppen hatten. Einer der vier Ritter trug über seinem Kettenhemd einen weißen Mantel mit rotem Kreuz, der ihn für jedermann als Kreuzfahrer auswies. Ansonsten waren alle vier einzig durch das Motiv ihrer Wappen zu unterscheiden, denn ihre Gesichter waren unter Kettenhauben und Topfhelmen verborgen. Den Schild des einen Kämpen zierte eine leuchtend gelbe Sonne auf blauem Grund, das Wappen eines anderen zeigte eine schlichte Burg hoch oben auf einem Hügel. Die Pferde trugen verzierte Decken aus Eisengeflecht und Nelson wunderte sich, dass sie unter dem ungeheuren Gewicht nicht zusammenbrachen.
    »Achtet auf Sir Brian«, raunte Severin, als die Ritter Aufstellung nahmen, ihre gut und gerne sechs Meter langen Lanzen unter die rechte Achsel schoben und nach schräg links ausrichteten. »Ein fahrender Ritter der übelsten Sorte.
    Er ist dafür berüchtigt, dass er seine Gegner gleich mit dem ersten Stoß aus dem Sattel hebt. Und kaum einer von ihnen steht danach wieder auf.«
    Stille senkte sich über den Platz, als der Herold seine Fahne hob und damit das Zeichen gab. Die Ritter stießen ihren Pferden die Sporen in die Flanken und preschten los. Schon nach wenigen Sekunden hatte sie die Mitte der rund hundert Meter langen Bahn erreicht, Lanzen krachten auf Schilde, einige splitterten und in einer Wolke aus Staub stürzte einer der vier Rivalen im hohen Bogen in den Dreck.
    »Was habe ich gesagt?«, fragte der Blinde.
    Als sich der Staub gelegt hatte, sahen sie, dass Severin Recht behalten hatte. Marquard lag regungslos am Boden, während sein Gegner kaltblütig vom Platz trabte, ohne sich auch nur einmal nach ihm umzusehen.
    Marquards Knappen kamen angerannt, im Schlepptau einen Mann mit lederner Tasche. Nelson vermutete, dass es sich dabei um den Medicus handelte, der für die ärztliche Versorgung der Verletzten zuständig war. Er beugte sich über den Leblosen und begann ihm vorsichtig den Helm vom Kopf zu ziehen. Als auch die Kettenhaube abgestreift war, sahen die Zuschauer, dass der Ritter am Hals blutete. Ein Raunen ging durch die Menge, in das sich Unmutsäußerungen mischten.
    »Brian zielt immer auf den Hals«, erläuterte Severin. »Das ist, wie jedermann weiß, zwar verboten, aber er wird sich darauf herausreden, dass er nicht besser getroffen hat. Wer will ihm das Gegenteil beweisen?«
    »Und warum lässt man so einen überhaupt an Turnieren teilnehmen?«, wollte Judith von Severin wissen.
    Keine gute Frage, dachte Nelson. Zu große Unkenntnis war verdächtig.
    Doch Severin ließ sich nichts anmerken. Väterlich legte er Judith die Hand auf die Schulter. »Weil er von Adel ist, Bruder Ignatio. Und ein Ritter von edler Herkunft kann nicht schlecht sein, oder?«
    Mittlerweile hatte man Marquard auf einer Trage vom Platz gebracht. Graf Ingolf und Ritter Fridolin hatten die Zeit genutzt, ihre Lanzen gegen Morgensterne auszutauschen, denn die Regeln besagten, dass jeder Waffengang mit einer anderen Waffe geführt werden musste.
    Auf ein weiteres Signal des Herolds stoben sie erneut aufeinander zu. Judith und Nelson verfolgten gebannt, wie beide Ritter ihre Furcht erregenden, mit eisernen Zacken gespickten Keulen schwangen und, als sie nahe genug waren, auf den Gegner niedersausen ließen. Ein Aufschrei ging durch die Menge. Fridolin wankte, konnte sich aber gerade noch im Sattel halten. Benommen ritt er ans Ende der Bahn. Der Medicus eilte heran, doch der Getroffene hob die Hand zum Zeichen, dass er weiterzukämpfen gedachte.
    Auf der anderen Seite

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