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1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Smith
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Hauptes in Empfang nahm. Die Leute auf den billigen Plätzen waren aufgesprungen und schrien vor Begeisterung, während die hohen Herrschaften auf der Tribüne huldvoll nickten.
    Fürst von Rosenstoltz wartete geduldig, bis wieder Ruhe einkehrte, und setzte seine Ansprache fort: »Groß ist die Zahl jener Ritter, die unserer Einladung gefolgt sind, um das Turnier durch ihren Mut und ihr Geschick zu veredeln und ihren eigenen Ruhm zu mehren. Eine Ehre ist es uns, Herzog Guido von Löwenstein, den Gesandten des Kaisers…« – zu seiner Linken erhob sich ein blonder Jüngling mit hermelinbesetztem Mantel und lächelte verträumt in die Menge – »… und den Legaten des Papstes, Flavio Casalla von Genua, willkommen zu heißen.« Ein verknöcherter Greis hob huldvoll die Hand und lächelte wächsern ins Rund. »So wollen wir denn den Segen des Allmächtigen erflehen«, hob der Burgherr erneut an, »auf dass wir ein prächtiges Spektakel erleben!«
    Fünf Herolde traten hervor und stießen drei Mal ins Horn. Unter lautem Getöse sprengten zwei Reiterheere heran, die zu beiden Seiten des Turnierplatzes Aufstellung nahmen.
    »Der Buhurt«, flüsterte Nelson und beugte sich zu Judith. »Zwei Reiterverbände stellen eine…«
    »… große Schlacht nach und hauen sich gegenseitig die Köpfe ein«, entgegnete Judith. »Ich weiß, ich weiß. Ich habe meine Hausaufgaben gemacht.«
    Auf ein weiteres Signal hin preschten die Reiterheere unter wilden Rufen aufeinander los. In der einen Hand ihr Schwert, in der anderen den Schild, trieben die Kämpfer ihre Pferde nur mit dem Druck ihrer Schenkel an, wobei sie, wie Nelson fand, erstaunlich sicher im Sattel saßen. In das ohrenbetäubende Schlachtgebrüll und Pferdegetrampel mischte sich ein aufgeregtes Rauschen von den Zuschauerrängen, das, je näher die Krieger einander kamen, zu einem tosenden Strudel anschwoll, der auch Nelson und Judith ergriff. Der Aufprall der Heere war gewaltig. Ein halbes Dutzend Ritter auf beiden Seiten hob es gleich aus den Sätteln. Die anderen wendeten ihre Schlachtrösser und jagten erneut aufeinander zu. Dann begann ein Hieben und Stechen, das, wie Nelson fand, nur sehr wenig von einem Schaukampf an sich hatte. Die Schwerter krachten so gewaltig auf die eisenbeschlagenen Schilde, dass ein einziger Schlag ausgereicht hätte, um einen ungeschützten Kämpfer der Länge nach zu zerteilen.
    »Wenn das hier Spaß ist, bin ich ein Mönch«, murmelte Judith.
    Nelson erkannte zwar bald, dass die Ritter vorwiegend mit den flachen Seiten ihrer Schwerter aufeinander einschlugen, doch es dauerte nicht lange, bis echtes Blut floss und die ersten Verletzten vom Platz getragen werden mussten.
    »Ich glaub’s nicht«, raunte Nelson. »Das ist doch krank.«
    »Krank macht der Wille zur Macht«, vernahm er plötzlich eine Stimme direkt hinter sich.
    Als er sich umdrehte, fuhr er entsetzt zusammen: Ein Gesicht starrte ihn an, das gar keines war! Auf Augen und Stirn klebte ein blutgetränkter Verband! Die grauen, langen Haare ließen ahnen, dass der Mann, der sich zu ihm vorgebeugt hatte, alt sein musste. Seine Haut war dunkel und vom Wetter gegerbt. Um seinen dürren Leib trug er einen schwarzen, ausgebleichten Umhang mit weiten Ärmeln, den er mit einer groben Kordel um die Taille zusammengebunden hatte. All das nahm Nelson wahr, ohne seinen Blick von dem blutigen Verband losreißen zu können. Ein widerlich süßer Geruch stieg ihm in die Nase, der ihn würgen ließ. Er grauste sich vor dem Alten und hätte sich am liebsten abgewendet. Doch gleichzeitig spürte er Mitleid mit ihm. Denn die nässenden Wunden sprachen eine deutliche Sprache: Diesen Greis hatte man geblendet!
    »Seht auf die Wappen«, sagte der Blinde. »Die Ritter mit dem schwarzen Schlangenkreuz huldigen Gregor, dem neuen Bischof von Rom. Die anderen, deren Wappen ein Löwenkopf ziert, sind Kaiser Friedrich ergeben.«
    »Aber woher…?«, setzte Nelson an.
    Tausend Gedanken schossen ihm gleichzeitig durch den Kopf. Die grausame Verletzung schien noch nicht alt zu sein. Ein paar Tage, höchstens. Eigentlich gehörte der Alte in ein Hospital. Was suchte er hier? In einer Menschenmenge wie dieser. War er ein Bettler? Seine aufrechte Haltung und seine feste Stimme sprachen dagegen. Vor allem aber die Ruhe, die er ausstrahlte, obwohl er doch sicher furchtbare Schmerzen hatte. Wer war er dann? Und welches Verbrechen hatte er begangen, das auf solch grausame Weise bestraft worden war?
    »Woher ich das

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