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1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Smith
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andächtig und mit verklärtem Blick.
    In diesem Moment trat der Herold hervor. »Wohlan, zum letzten Kampf des sich neigenden Tages. Auf der einen Seite sehet ihr Bertrand de Paris, der die Lilie in seinem Wappen führt. Jener andere, der sich anschickt, Kraft und Geschick mit dem Pariser zu messen, zieht ohne Namen in diesen Zweikampf. Heißt beide gleichermaßen willkommen!«
    Hochrufe ertönten. Zuschauer sprangen auf und klatschten begeistert in die Hände. Selbst einige Damen auf der Ehrenloge reckten ihren Hälse und beäugten den blauen Reiter mit unverhohlener Neugier und Bewunderung. Nelson spürte, wie das Fieber auf ihn übersprang. Ein Hype wie bei David Beckham oder Robbie Williams, dachte er. Ritter – die Popstars des Mittelalters. Der Gedanke gefiel ihm.
    Ein letztes Mal ertönten die Fanfaren im Rund und ließen die Luft erzittern. Doch kaum waren die Töne verklungen, senkte sich tiefe Stille übers Tal. Die Spannung war mit Händen zu greifen. Staub wirbelte auf, als die Streiter ihren Pferden die Sporen gaben und aufeinander zurasten. Während Bertrand schwer im Sattel saß und Mühe hatte, seine Lanze auszurichten, schien der blaue Reiter mit seinem Hengst und seiner Waffe verwachsen zu sein. Aufrecht und ohne sichtliche Anspannung nahm er seinen Gegner ins Visier und stieß ihn mit einem gewaltigen Hieb aus dem Sattel. Bertrand hatte nicht die geringste Chance. Am Ende musste er froh sein, dass der Riese im blauen Gewand den Regeln gemäß auf seinen Schild gezielt hatte – nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn er Kopf, Schulter oder Hüfte seines Gegners erwischt hätte.
    Die Menge war außer sich. Keinen hielt es mehr auf seinem Platz und Nelson hätte sich nicht gewundert, wenn sie die Arena gestürmt oder zumindest nach einer Zugabe verlangt hätten. Das jedoch verhinderte der Herold, der mit donnernder Stimme verkündete, dass die Kämpfe am nächsten Tag fortgesetzt würden, und die Gäste zum Schmaus in den Rittersaal lud.
    Nachdem der blaue Reiter verschwunden und der arme Bertrand vom Platz getragen worden war, begannen sich die Ränge zu leeren. Auch Nelson und Judith verließen die Tribüne und ließen sich vom Strom der Menschen Richtung Burg treiben. Severin lief einige Meter vor ihnen, eine Hand auf der Schulter des Mädchens, das ihn sicher durch die Menge leitete.
    Judith war nicht wiederzuerkennen. »Hast du das gesehen?«, juchzte sie. »Pahf! Pahf! So schnell konnte man gar nicht gucken. Und erst sein Outfit. Cool! Wenn ich bloß wüsste…«
    »Hol dir doch ‘n Autogramm«, unterbrach sie Nelson, dem ihre Schwärmerei ziemlich auf den Keks ging.
    »Keine schlechte Idee«, erwiderte Judith gut gelaunt. »Dann könnte ich ihn gleich fragen, ob ich ihm morgen ein Band an seine Lanze knüpfen soll.«
    Nelson verzog angewidert das Gesicht. »Du bist ein hässlicher Mönch«, fauchte er, »und der blaue Reiter ganz sicher nicht schwul!«
    Kurz vor der Zugbrücke schlossen sie zu Severin und dem Mädchen auf.
    »Da sind ja meine jungen Freunde«, ließ sich der Blinde vernehmen, noch bevor sich einer von ihnen bemerkbar machen konnte. »Wie hat euch das Spektakel gefallen?«
    »Na ja«, murmelte Nelson, während Judith noch einmal das hohe Lied auf den blauen Reiter sang.
    »Gedenkt ihr am Festmahl teilzunehmen?«, erkundigte sich Severin nach einer Weile.
    »Sicher«, antwortete Judith. »Wir könnten zusammen hingehen.«
    »Ich glaube, das wäre keine gute Idee«, entgegnete der Alte. »Zu viele Menschen.« Plötzlich verzog er den Mund zu einem schelmischen Grinsen. »Aber wenn ich es mir recht überlege – was meinst du, Adiva?«
    Das Mädchen schüttelte heftig den Kopf, woraufhin Severin herzlich lachte. »Keine Angst, mein Engel. Wir suchen uns ein Plätzchen im Kräutergarten. Der Duft von Thymian und Salbei schmeckt mindestens so gut wie die gegrillten Täubchen beim Gelage in der Burg. Und die Sterne sollen funkeln, als hätte sie die Nacht für uns allein entzündet. Meinst du nicht?«
    Das Mädchen nickte wortlos und war fürs Erste beruhigt.

16
     
     
     
    Sie trennten sich am Friedhof. Severin wollte vor Einbruch der Nacht noch das Grab eines kürzlich an Wundfieber verstorbenen Freundes aufsuchen um für ihn ein Gebet zu sprechen. »Wenn euch das Treiben in der Burg zu laut wird – ihr wisst ja, wo ihr uns findet.«
    Nelson und Judith blieben zurück und hielten Ausschau nach Luk. Hunderte von Leuten trieben vorbei, darunter auch einige zwielichtige

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