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1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Smith
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wählte Graf Ingolf schon sein Schwert aus, die dritte und letzte Waffe. Siegesbewusst ließ er sein Pferd steigen, wobei er sein Schwert gen Himmel reckte.
    Es dauerte eine Weile, bis auch Fridolin für den dritten Waffengang bereit war. Sein Pferd bäumte sich auf und sprengte los. Ingolf wartete einige quälende Momente lang und gab seinem Schlachtross die Sporen. Atemlos beobachteten die Zuschauer, wie Ingolf in vollem Galopp mit beiden Händen sein Schwert hob und mit ungeheurer Wucht auf den Helm seines Gegners krachen ließ. Dieser kam gar nicht mehr dazu, seinen Schild hochzureißen und den Schlag abzufangen. Wie ein gefällter Baum glitt er aus dem Sattel und rutschte in den Staub. Nelson atmete langsam aus. Ihm war klar, dass, hätte Ingolf seinen Gegner statt mit der flachen Seite mit der Schneide getroffen, dieser nie wieder aufgestanden wäre.
    Graf Ingolf von Reinhardtsheim ließ sich von seinem Knappen eine Lanze reichen und trabte zur überdachten Tribüne. Mit einem kurzen Nicken grüßte er den Burgherrn und seine hohen Gäste, bevor er sein Pferd zu einer Loge lenkte, in der einige Frauen von Adel saßen. Demütig senkte er vor ihnen das Haupt und bot sodann einer schwarzhaarigen Dame seine Lanze dar. Die Angebetete lächelte huldvoll, streifte eines ihrer Haarbänder ab und knotete es ans Ende der Lanze. Der Kämpe dankte es ihr durch eine tiefe Verbeugung und ritt erhobenen Hauptes von dannen.
    »Wie süß«, flüsterte Judith, wobei Nelson nicht sicher war, ob sie das ernst meinte oder sich bloß über den armen Galan lustig machte.
    Er hatte keine Zeit, den Gedanken zu Ende zu denken, denn schon ritten die nächsten Ritter aufs Feld.
    Wie viele Kämpfe in den nächsten Stunden folgten, zählte Nelson nicht mit. Bald hatte er das Interesse verloren. Er lauschte Severin, der von seinen Reisen erzählte, und hielt Ausschau nach Luk, den er in der Menge jedoch ebenso wenig ausmachen konnte wie die Dominikaner, denen sein Freund gefolgt war.
    Nelson wunderte sich, dass er Luk auch in den Pausen nicht zu Gesicht bekam. Allmählich machte er sich Sorgen. Luk war nicht wiederzuerkennen. Er schien in seiner neuen Rolle ganz und gar aufzugehen. Das konnte gefährlich werden. Hinter Nelson saß ja mit Severin der lebende Beweis, wozu Fanatiker imstande waren, wenn sie glaubten, einem Außenseiter den rechten Weg weisen zu müssen.
    Plötzlich stieß Judith ihn an. »Sieh mal«, flüsterte sie aufgeregt und deutete hinab, wo gerade zwei weitere Ritter den Turnierplatz betraten.
    Nelson wusste sogleich, wem von beiden Judiths gesteigertes Interesse galt. In der Tat war seine Erscheinung imposant. Wenn sich die anderen Kämpfer von ihrer Statur her schon deutlich vom einfachen Volk unterschieden, so musste man diesen Kämpen einen Riesen nennen. Er trug einen kobaltblauen Mantel über dem Kettenhemd und auch die Decke sowie der Kopfschutz seines Schlachtrosses leuchteten in dieser Farbe. Was ihn darüber hinaus noch von allen anderen Rittern unterschied, war das Fehlen jeglicher Insignien oder Wappen.
    Als der Unbekannte näher kam, wogte eine Welle der Erregung durchs Volk. Zuschauer reckten ihre Hälse nach ihm und deuteten begeistert hinab.
    »Der blaue Reiter«, ließ sich Severin von Antiochia vernehmen. Anscheinend hatte ihm seine junge Begleiterin den Grund für den Tumult verraten.
    »Der blaue Reiter?«, fragte Judith neugierig. Die Gleichgültigkeit, die sie in der vergangenen Stunde zur Schau getragen hatte, schien auf einmal wie weggeflogen.
    »Niemand kennt seinen wahren Namen noch seine Herkunft«, antwortete der Alte. »Legenden ranken sich um ihn. Manche sagen, er sei von königlichem Geblüt, andere meinen, dass er ein Sarazene aus dem Morgenland ist. Wieder andere wissen aus sicherer Quelle, dass der geheimnisvolle Fremde ein sizilianischer Edelmann ist, den die unerfüllte Liebe zu einer verheirateten Frau von Turnier zu Turnier treibt, auf denen er eigentlich nur seinen eigenen Tod sucht.« Severin machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wie dem auch sei – niemand wird irgendetwas beschwören, denn keiner hat den blauen Reiter jemals zu Gesicht bekommen. Ich selbst habe ihn einst kämpfen sehen, vor Jahren, ich erinnere mich genau, am Hofe des Sultans von Cordoba. Acht Ritter hat er aus dem Sattel gestoßen und doch keine einzige Rüstung seiner Gegner an sich genommen, was ihm als Sieger, wie ihr wisst, eigentlich zugestanden hätte.«
    »Der blaue Reiter«, wiederholte Judith

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