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1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Smith
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unumstößlichen Gewissheit, dass jeder Kuss, ja jede Berührung von vornherein absolut ausgeschlossen war. Da konnte man sich doch genauso gut in eine Nonne verlieben!
    Im Moment hatte er außerdem keine Ahnung, worauf Severin hinauswollte.
    »Ich verstehe nicht«, sagte er daher. »Selbst wenn wir wüssten, wer das Turnier gewinnt – wie könnten wir dann Einfluss darauf nehmen, welche Herzensdame er erwählt und dass diese sich am Ende ausgerechnet für Levent verwendet?«
    »Der tapferste, gewandteste und selbstloseste Ritter wird dieses Turnier gewinnen«, antwortete Severin vage.
    »Der blaue Reiter!«, platzte es aus Judith heraus.
    Der Blinde nickte. »Er könnte am Ende triumphieren, wie mir scheint. Ein ruheloser Geist, der weder für Papst oder Kaiser streitet, noch von Habsucht getrieben wird. Die ewige Gültigkeit der hohen Minne – er glaubt an sie, während die meisten anderen bloß darüber reden um ihre wahren Motive zu verbergen.«
    »Aber…«, begann Nelson.
    »Ich will euch eine Geschichte erzählen«, unterbrach ihn der Blinde. »Eine Begebenheit, die mir zugetragen wurde und an die ich glaube, obwohl ich nicht zugegen war, als sie sich ereignete. Sie nahm vor mehreren Jahren in Cordoba ihren Lauf, auf einem Turnier wie diesem. Ein namenloser Ritter in blauem Gewand hatte an einem einzigen Tag acht Gegner aus dem Sattel gestoßen. Nun schickte er sich an, mit dem neunten und letzten Kampf den Turniersieg zu erringen und damit Herr eines Reitguts zu werden, welches der Großrichter von Cordoba dem Sieger versprach.« Severin stand auf und ging um die Freunde herum. »Die Kontrahenten hatten gerade Aufstellung genommen, als das Unglück geschah: Eine junge Kammerzofe erlitt in der Gluthitze der Arena einen Schwächeanfall und stürzte von der Tribüne auf den Platz, wo sie reglos liegen blieb. Das Ereignis an sich hätte vermutlich kaum Aufsehen erregt – man hätte sie weggetragen, zum nächsten Wundarzt gebracht und niemand hätte je ein Wort darüber verloren. Wenn nicht jener namenlose Ritter plötzlich innegehalten und diesen letzten, entscheidenden Kampf des Turniers abgebrochen hätte, um dem Mädchen zu Hilfe zu eilen. Sie war bewusstlos, als er sie aufhob, auf sein Pferd bettete und ins eigene Lager trug. Dort harrte er aus, bis das Mädchen wieder zu sich kam, während unweit von ihm ein glücklicher Ritter den Lohn eines kampflosen Sieges in Empfang nahm.« Der Alte legte Judith eine Hand auf die Schulter. »Die Geste des Ehrbaren gab dem Kind einen Namen – Melisande, ein Name, an den sich die Menschen fortan erinnerten, wenn sie über den Retter des Mädchens sprachen.«
    Der Alte schwieg. Nelson betrachtete einen Käfer, der über den Saum seiner Kutte balancierte. Wenn Melisande unter den Zuschauern wäre und der blaue Reiter dies erführe, würde er wohl keine Sekunde zögern ihr seine Gunst zu erweisen.
    »Melisande«, wiederholte er versonnen. »Erzählt man sich, wie sie ausgesehen hat?«
    »Du begreifst schnell, mein junger Freund«, entgegnete der Blinde und nickte. »Natürlich war sie schön: ein Engel mit blond gelocktem Haar, mandelförmigen Augen, blutroten Lippen und samtweicher Haut. Es ist immer so – die Spielmänner singen jene Lieder, die das Volk zu hören wünscht. Sie war ein junges Ding. Heute ist sie wohl eine Frau. Wenn sie noch lebt, hat sie Kinder, vermutlich einen ganzen Stall voll – aber das ist für uns nicht von Belang. In der Erinnerung nämlich bleibt sie jene Jungfrau, die ein selbstloser Ritter einst vor dem Tod bewahrte. Wenn diese Jungfrau wiederaufersteht, wird es sich herumsprechen und im Nu auch unserem stolzen Helden zu Ohren kommen. Sie wird ihn verzaubern, selbst wenn er am Ende erkennt, dass sie in Wirklichkeit eine andere ist als das Mädchen von einst.«
    Nelson blickte zu Judith, die allmählich verstand, worauf das ganze Gerede über blonde Jungfrauen und tapfere Ritter hinauslaufen sollte. Sie versteifte sich und schüttelte den Kopf. »Vergiss es«, sagte sie brüsk. »Denk nicht weiter. Ich bin das nicht, ich kann das nicht und ich will das nicht.«
    Auch Luk hatte begriffen. »Natürlich. Du bist…«
    Judith schüttelte noch immer den Kopf. »Vergesst alles, was sich in euren Hirnen gerade zusammenbraut.« Sie blickte an sich hinunter. »Seht mich doch an: Ich bin ein hässlicher Mönch, eine Eule, ein komischer Kauz, erinnert ihr euch?«
    »Die Eule ließe sich in einen Schwan verwandeln«, bemerkte Severin. »Zufällig habe

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