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1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Smith
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ich eine gute Freundin, die in ihrer Jugend einer Herzogin als Zofe gedient hat. Aus ihren Erzählungen weiß ich, dass sie bei den Herrschaften mitunter größtes Geschick beweisen und anspruchsvollere Aufgaben bewältigen musste, als einen jungen Mönch in eine schöne Jungfrau zu verwandeln.«
    Nelson grinste. Er warf einen Blick auf Judith. Bei ihr hätte die ehemalige Zofe leichtes Spiel. Judith war schön. Eine Perücke, ein bisschen Schminke und ein cooles Outfit – Nelson zumindest konnte sich keine schönere Melisande vorstellen.
    Judith indes weigerte sich beharrlich. »Ich kann das nicht«, wiederholte sie. »Ich bin nicht hübsch genug. Melisande – wie das schon klingt… «
    »Natürlich bist du hübsch genug«, widersprach Luk und tätschelte ihren Arm.
    »Es ist spät. Schlaf eine Nacht darüber, mein Kind«, sagte Severin mit ruhiger Stimme. »Morgen früh mag die Welt schon ganz anders aussehen. Ich wecke euch vor Morgengrauen. Habt eine friedliche Nacht, meine Freunde.« Vorsichtig hob er Adivas Kopf von seinem Schoß und schlug den Rand der Decke um das Mädchen. Dann legte er sich neben sie.
    Die Freunde folgten seinem Beispiel. Sie rückten nah aneinander, um sich vor dem kühlen Wind zu schützen. Judith lag in der Mitte. Sie hatte Nelson den Rücken zugewandt. Er spürte ihre Wärme. Lauschte auf ihren Atem. Sah hinauf in den mondlosen Himmel. Sternschnuppen regneten auf ihn herab.
    Irgendwann – Luk war längst eingeschlafen – drehte sich Judith zu Nelsons Seite. Er musste nicht hinsehen um zu wissen, dass sie ebenso wach war wie er selbst. Lange Zeit sagte sie nichts. Dann richtete sie sich auf und beugte sich über ihn. »Und du, Mylord, glaubst du, ich schaff das?«
    Für die Antwort nahm er all seinen Mut zusammen. »Ich könnte mir keine schönere Melisande vorstellen.«

18
     
     
     
    Die Nacht war kurz. Mit dem ersten Grau des Morgens erwachten die Vögel in den Bäumen und rissen Nelson mit ihrem wilden Gekreisch aus seinem unruhigen Schlaf. Er streckte sich. Seine Glieder waren steif vor Kälte. Mühsam hob er den Kopf. Die anderen schliefen noch.
    Schwerfällig stand er auf. Er stapfte los und drehte eine Runde durch den Garten. Dann eine weitere. Dabei staunte er über die vielen verschiedenen Düfte und versuchte sie den einzelnen Kräutern zuzuordnen.
    Als er zurückkehrte, lehnte Severin abseits der anderen an einem Baum und hielt den Kopf so, als horche er auf die Welt um ihn herum.
    »Die bösen Geister haben dich bis in deine Träume verfolgt. Das ist nicht gut, mein junger Freund«, begrüßte er ihn.
    »Habe ich im Schlaf geredet?«, fragte Nelson.
    Der Blinde schüttelte den Kopf. »Nicht in Worten. Ich habe auf deinen Atem gelauscht. Wer einen seiner Sinne verliert, lernt schnell die anderen zu schärfen.«
    Nelson setzte sich neben ihn. Er schloss die Augen. Der Wind rauschte durch die Blätter, knickte einen dünnen Ast, der nicht weit von ihnen ins Gras fiel. Ein Insekt summte vorbei und irgendwo gurrte eine Taube. Plötzlich war es einige Sekunden lang still. Nelson fiel auf, dass die Vögel fort waren, die ihn vorhin noch mit ihrem hitzigen Geschrei aus dem Schlaf gerissen hatten.
    Er öffnete die Augen. Am Horizont verblassten die letzten Schatten der Nacht ins helle Blau des frühen Morgens. Doch vom Norden her schoben sich dichte Wolkenfelder heran.
    »Was ich nicht verstehe«, begann Nelson, dem plötzlich einfiel, was er von Severin die ganze Zeit schon wissen wollte. »Sie haben dich gequält und erniedrigt und trotzdem…«
    »Du fragst dich, wie ich ihre Nähe ertrage«, half ihm der Blinde. »Hast du dich schon einmal gefragt, wie sie die meine ertragen?«
    »Dann bist du ihretwegen hier?«
    »Ich bin hier, weil ich ein freier Mensch bin. Sie glaubten, mir mit meinem Augenlicht auch meine Freiheit zu nehmen. Jetzt wissen sie es besser.«
    »Hast du keine Angst, dass sie dich dadurch noch mehr hassen und dir womöglich Schlimmeres droht?«
    Severin tastete nach der Rinde des Baumes, an dem sie lehnten. »Um mich habe ich keine Angst. Ich bin alt wie dieser Baum, ich habe mein Leben gelebt. Aber ich sorge mich um Adiva. Wer kümmert sich um sie, wenn ich nicht mehr bin?«
    Er stand auf. Ging einmal um den Baum herum. Kniete sich nieder. »Bis morgen jedenfalls sind wir sicher. Der Burgfrieden schützt sogar die Geschändeten. Dann werden wir aufbrechen. Vielleicht kehre ich zurück nach Antiochia. Adiva hätte dort ein Zuhause. Wir werden sehen.«
    Sie

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