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1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Smith
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er dich sieht.«
    »Nerv nicht rum«, zischte Judith und blitzte ihn an.
    Luk grinste. »Wart’s ab, Melisande. Ich bin mir sicher: Der haut sie alle zu Brei, nur um vor dir den großen Max zu machen. Am Ende stellt er dich dann seiner Mami vor und wir müssen ohne dich zurück.«
    Judith beließ es dabei, ihm den langen Finger zu zeigen.
    Adiva hatte die ganze Zeit von einem zum anderen gesehen. Jetzt stand sie auf und setzte sich auf Judiths Schoß. Von dort funkelte sie Luk böse an und reckte plötzlich den Mittelfinger in die Luft. Das sah so drollig aus, dass alle lachen mussten.
    »Du bist gut«, bemerkte Judith. »Verstehst kein Wort, aber das kapierst du sofort.«
    Kurze Zeit später kamen Severin und Schwester Clothilde zurück. Auch ihr blinder Freund sah völlig verändert aus. Seine Wunden verdeckte nun ein schwarzes Tuch, das weniger einem Verband als einem Schal glich und Severin etwas Verwegenes verlieh. Zudem hatte die ehemalige Zofe sein langes Haar zu einem festen, grauen Zopf geflochten, was vor allem Adiva gefiel, die ihr eigenes Kunstwerk mit seinem verglich. Irgendwoher hatte die Kleiderverwalterin schließlich auch einen schwarzen, eng anliegenden Umhang besorgt, in dem Severin, wie Nelson fand, einem berühmten deutschen Modeschöpfer ihrer Zeit nicht unähnlich sah.
    »Wir werden die Nacht im Paradiese verbringen«, verkündete der Blinde. »Meine liebe Freundin Lioba« – bei der Erwähnung ihres richtigen Namens huschte ein Lächeln über das Gesicht der Nonne – »hat die Äbtissin dazu bewegen können, die strengen Regeln etwas zu lockern und uns bis morgen zwei leer stehende Kammern im Dormitorium bereitzustellen.«
    »Ich muss euch nur bitten, euer Nachtmahl ohne mich einzunehmen und eure Kammern bis zum Morgengrauen nicht zu verlassen«, fügte Schwester Clothilde hinzu. »Meine Schwestern sind, nun ja, etwas… schüchtern.«
    Ob es nun an der Schüchternheit der Nonnen oder eher an den strikten Anweisungen der Äbtissin lag – jedenfalls erspähten sie auf dem langen Weg quer durch die Klosteranlage bis zu den Schlafräumen keine einzige Ordensschwester. Kloster Paradiese wirkte wie ausgestorben und die Besucher gaben sich große Mühe, die Stille innerhalb der Mauern nicht zu stören.
    Die Schlafräume, die ihnen Schwester Clothilde zuwies, waren klein und spartanisch eingerichtet. Ein schlichtes Bett und ein dreibeiniger Hocker stellten die einzigen Möbelstücke dar. Für die Gäste hatte man zusätzlich einige strohgefüllte Säcke auf den steinernen Fußboden gelegt.
    »Man gewöhnt sich dran«, bemerkte Schwester Clothilde mit einem schiefen Lächeln. »Bei mir hat es zwar etwas gedauert, aber wenn es Gott so gefällt… «
    Sie wünschte ihren Gästen eine gute Nacht und versprach, nach dem Abendgebet etwas Brot und Bier vor die Tür stellen zu lassen. »Ich wecke euch vor Sonnenaufgang. Ein Wagen wird euch zurück zur Burg bringen.«
    Nelson, Luk und Severin bezogen die eine Kammer, Judith und Adiva die andere. Zum Nachtmahl trafen sie sich wieder. Sie hockten eng beieinander auf den Strohsäcken und tunkten Brot in Bier.
    »Gar nicht schlecht«, schmatzte Luk. »Sollten wir daheim vielleicht auch mal ausprobieren.«
    »Lioba ist ein Geschenk des Himmels«, sagte Severin, als sie sich bettfertig machten. »Manchmal wünschte ich, Gott hätte ihr eine andere Aufgabe zugedacht. Habt ihr gesehen, wie sie aufgeblüht ist? Gieße das Blümchen und es streckt sich zum Licht.« Gedankenverloren strich er seinen neuen Verband glatt. »Wisst ihr, dass sie sich in den Kopf gesetzt hat uns morgen beizustehen? Sie will die Äbtissin heute Nacht noch um Erlaubnis fragen. Ich habe es ihr nicht ausreden können. Lioba hat einen starken Willen.«

 
     
     
    Dritter Teil
     
     
     
    »Zeit besteht nicht ohne Wechsel und Wandel, in der Ewigkeit aber gibt es keine Veränderung.«
     
    Augustinus (354-430)

19
     
     
     
    Nelson lag in dieser Nacht noch lange wach. Den ganzen Tag schon hatte ihn das Bild des Mönchs verfolgt, der sich in seine Träume geschlichen hatte wie eine Schlange und nun plötzlich real geworden war, so real wie Severin oder Schwester Clothilde, so wirklich wie er selbst. Seine Begegnung mit dem Mönch hatte Nelsons Weltbild nachhaltig ins Wanken gebracht. Was seit ihrem Eintreffen geschehen war, fand ja nicht in einer Cyberworld statt. Burg Rosenstoltz, das Kloster und die Stadt drum herum – all das war ja nicht von irgendjemandem am Computer entworfen worden

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