123 - Auf dem Insektenthron
sehr hungrig.«
»Und warum bist du hier?«, fragte Matt.
»Ich sagte es bereits: Wir haben euch herbei gesehnt. Wenn ihr versprecht, dass ihr uns hier heraus holt und irgendwohin bringt, wo wir unter menschenwürdigen Umständen leben können, werden wir euch helfen.« Belle machte ein bittendes Gesicht. »Wir sind verzweifelt! Bitte lasst uns nicht im Stich.«
Matt überlegte nicht lange. »Einverstanden. Aber wie willst du es anstellen, dass wir frei kommen?«
»Das lass meine Sorge sein. Ich habe schon mit einigen Leuten gesprochen, die bereit sind, etwas zu riskieren. Mostroo ist in der letzten Zeit einfach zu weit gegangen, und wir denken an unsere Kinder.« Belle wirkte plötzlich gelöst, erleichtert und zuversichtlich. Das verschönte und erhellte ihr Gesicht unter all dem Schmutz und machte die Narbe fast vergessen. »Vertraut mir. Bis Tagesanbruch seid ihr frei.«
***
Solch ein Hochgefühl hatte Belle schon seit Jahren nicht mehr gehabt. Lisi hatte sie schon mit ihrer Begeisterung angesteckt, doch nun sah es wirklich so aus, als hätten sie endlich Hoffnung.
Hela wartete schon voller Ungeduld auf sie. »Wie sieht es aus?«
»Ich vertraue ihnen, Hela«, sagte Belle atemlos. »Ich weiß nicht warum, aber ich glaube, sie halten ihr Versprechen. Sie werden uns hier rausholen, wenn wir sie befreien.«
Hela legte die Hand an den Mund und unterdrückte einen Jubelschrei. Ihre Augen leuchteten in der Dunkelheit. »Dann gebe ich gleich den anderen Bescheid.«
»Ich gehe zu Mostroo. Ihr schaltet Cervo und Berto am besten aus, wenn sie schlafen. Dann könnt ihr die anderen befreien. Sobald ich aus dem Haus komme, seid ihr dran.«
Belle umarmte die Freundin kurz. »Achte auf meine Lisi, Hela, dass ihr nichts passiert. Viel Glück!«
Mostroo bewohnte eine restaurierte Kammer in einem verfallenen Haus, die er mit den besten Dingen, die in den Ruinen gefunden worden waren, ausgestattet hatte. Als Einziger in der Siedlung besaß er Möbel, ein paar Sessel und einen Tisch sowie ein zusammengezimmertes Bett.
Berto und Cervo waren wie gewohnt bei ihm und tranken.
In einigen Kellern und Lagerhäusern fanden sich noch Kartons mit Schnaps, der die Jahrhunderte unbeschadet überstanden hatte. Den gossen sich die drei fast jeden Abend in die Kehle, manchmal bis zur Bewusstlosigkeit.
Bald würden diese Zeiten ein Ende haben, dachte Belle grimmig. Genau jetzt, wo sie am wenigsten damit rechneten, wo sie schon ihren Sieg über die Insekten feierten und sich als die Herrscher eines neuen Staates sahen, waren sie bereits dem Untergang geweiht.
Allerdings konnte sie nicht einfach so hineinspazieren, das würde Mostroo sofort misstrauisch machen. Gebrochen und gedemütigt musste sie angekrochen kommen.
Belle zerraufte sich ihr Haar, verschmierte den Schmutz, brachte ihre Kleidung in Unordnung. Dann griff sie nach einem stumpfen Stein, nahm allen Mut zusammen und schlug sich mit aller Kraft auf die Zehen des linken Fußes. Sie hatte nicht lange darüber nachgedacht, sondern einfach gehandelt. Der Schmerz trieb ihr die Tränen in die Augen, was sie beabsichtigt hatte, und sie konnte kaum mehr mit dem Fuß auftreten, was einen schleichenden, niedergeschlagenen Gang verursachte.
Solchermaßen vorbereitet, klopfte Belle zaghaft an die Tür.
Von drinnen kam grölender Lärm. Nach einer Weile klopfte sie ein zweites Mal, kräftiger diesmal.
Das Grölen erstarb. Schwere Schritte erklangen, dann riss Cervo die Tür auf.
Ihre Angst musste Belle nicht spielen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, ihr Atem ging schnell.
»Was willst du?«, schnappte Cervo.
»Ich muss mit Mostroo sprechen«, antwortete Belle.
»Lass sie rein!«, erklang Mostroos angetrunkene Stimme aus dem Hintergrund. »Und ihr macht, dass ihr verschwindet.«
Cervo setzte an: »Aber…«
»Tut, was ich sage!«, unterbrach Mostroo unwirsch.
»Morgen früh ist der große Tag, da will ich euch ausgeruht sehen!«
Die beiden gehorchten, nicht ohne einen zweifelnden Blick auf Belle zu werfen. Sie schloss die Tür hinter sich und näherte sich Mostroo, der halb entkleidet in einem Sessel lümmelte und sie herbeiwinkte.
»Was verschafft mir die Ehre deiner Anwesenheit?«, rief er und setzte sich auf, als sie am Tisch stehen blieb. »Setz dich, komm, hierher.« Er zog einen Sessel nahe zu sich heran.
Belle zögerte, gehorchte dann aber. Sie wich Mostroos Blick aus und verknotete nervös die Finger ineinander. Schließlich sagte sie: »Ich… ich kann so nicht mehr
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