123 - Der Tempel im Dschungel
MacArthur.
„Auch du bist ein Sklave Shivas. Es kann nicht anders sein."
Zu Ungas Überraschung nickte der drahtige Engländer. „So ist es. Shiva hat mich in jener ersten Nacht im dunklen Tempel überfallen und mir einen Dolch in den Rücken gestoßen. Ich habe den magischen Keim im Blut. Ich spüre, wie er in mir arbeitet, mich völlig willenlos machen will. Manchmal fühlte ich mich unwiderstehlich zu der Statue im Tempel hingezogen, dann wieder hätte ich sie am liebsten zerstört. Es ist, als hätte ich zwei Seelen in der Brust, die beide um die Vorherrschaft kämpfen."
Unga hatte nicht den Eindruck, daß MacArthur log. Er spürte die dämonische Ausstrahlung des Mannes, aber sie war schwach. Konnte es sein, daß Chet MacArthur eine so enorme Willensstärke und Tapferkeit besaß, daß er Shivas Magie zu widerstehen vermochte? Oder war er aus irgendwelchen Gründen immun?
„In meinen Träumen habe ich grauenvolle Visionen", sagte Chet MacArthur. „Manchmal selbst am hellen Tag. Oft glaube ich, sterben zu müssen und auf ewig den fürchterlichsten Qualen und der Verdammnis anheimzufallen. Dann wieder meine ich, daß mein Blut in den Adern kocht. Es fällt mir sehr schwer, aber ich nehme mich zusammen und gebe nicht auf. Dieses Ungeheuer darf mich nicht zu seinem willenlosen Sklaven machen. Ich muß den Bann brechen."
Unga hatte großen Respekt vor dem Engländer. Chet MacArthur mußte ein ganz außergewöhnlicher Mann sein, wenn es ihm gelang, Shivas Zauber Widerstand zu leisten. Unga glaubte ihm, weil seine Ausstrahlung anders war. Er wollte MacArthur im Auge behalten und abwarten.
Der Cro Magnon betrachtete im Feuerschein die Wunde in Chet MacArthurs Rücken. Sie sah so aus wie bei der Padma-Sadhu im Dschungel und bei Roger Ballard.
Liz Ballard saß am Feuer und schaute in die Flammen. Ihr Gesicht war unbewegt. Man konnte nicht erkennen, was sie dachte. Das Herz zerriß ihr die Nachricht vom Tod ihres Mannes nicht gerade; aber es war doch ein Schock für sie. Liz Ballard mußte ihn verarbeiten. Sie versuchte, sich an Roger Ballards gute Seiten zu erinnern. Es fielen ihr nur sehr wenige ein.
Die Tierstimmen des Dschungels waren nun wieder zu hören, und zahllose Sterne funkelten am Nachthimmel. Der Monsun ließ die Blätter rauschen. Stechfliegen summten haufenweise umher, wie es bei der Nähe des stinkenden Tümpels zu erwarten war.
Unga mußte an das Monster im Wasser denken. Es hatte sich nicht geregt, wie er von Radschendra Bhandri erfuhr.
Der indische Arzt studierte die magische Wunde in Chet MacArthurs Rücken mit besonderer Aufmerksamkeit. Schließlich hob er hilflos die Schultern. „So etwas habe ich noch nie gesehen. Aus medizinischer Sicht läßt sich da nichts machen."
Unga hörte von Chet MacArthur, daß er sich vorhin, als er im Tempel gesucht wurde, in den unterirdischen Kavernen befunden hatte. Er war eine Dreiviertelstunde, bevor Unga und Edward Derby zurückkamen, am Campfeuer erschienen, hatte Reena kennengelernt und von ihrem Begleiter Unga erfahren, dem angeblichen isländischen Indologen, der mit Roger Ballard und Edward Derby in den unterirdischen Kavernen nach ihm suchte.
In diesem Moment dröhnten Schritte im Tempel. Etwas Schweres stampfte durch die Ruine und erschien zwischen den Säulen und unter den Kapitellen des Haupteingangs. Die Strahlen von drei Stablampen richteten sich auf die riesige, tonnenschwere Gestalt.
Abrupt verstummten die Tierstimmen. Shiva, der grüne Steingötze, stand da, die vier Arme mit den Dolchen erhoben. Seine grünen Jadeaugen starrten die Menschen am Feuer an. Langsam kam der Tempelgötze näher. Radschendra Bhandri hob das Schnellfeuergewehr, und Liz Ballard riß dem wie erstarrt dastehenden Edward Derby die Waffe aus den Händen. Feuerstöße peitschten durch den Dschungel. Die Projektile trafen den dreieinhalb Meter hohen Jadegötzen voll. Als Querschläger flogen sie davon. Sie konnten den dämonischen Jadegötzen nicht verwunden.
Shiva schleuderte nun mit drei Armen zugleich seine Dolche. Seine Stimme hallte, und jeder von den entsetzten Menschen am Feuer verstand die Worte in seiner Muttersprache.
„Shivas Rache wird euch vernichten!" grollte der Götze. „Viele dämonische und übernatürliche Kräfte sind hier am Werk, aber Shiva allein ist der Herrscher. Er wird sie alle vertreiben: Chakravartin, Luguri und wie sie alle heißen, die in sein Reich eingedrungen sind."
Unga war dem Dolch ausgewichen, der auf ihn zuflog. Edward
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