123 - Piraten aus dem Jenseits
Schließlich weiß ich, daß Sie mir nichts antun wollen.«
Sie kniff die intensiv grünen Augen zusammen. »Bist du sicher?«
Er lachte hüstelnd. »Ich fürchte, ich verstehe nicht…«
»Oh, ich glaube, du verstehst sehr gut. Du spürst, daß ich die Absicht habe, dich zu töten.«
»Also, wenn das ein Scherz sein soll, kann ich ihm nichts abgewinnen, Miß Stills. Mit diesen Dingen macht man keine Witze.«
»Du hast vollkommen recht. Es ist auch kein Spaß.«
Etwas in ihrem Blick verriet ihm, daß sie die Wahrheit sagte. Er sprang auf. Yora erhob sich ebenfalls. Alonzo Berry wich zurück. Die Dämonin folgte ihm.
Sie lächelte ihn grausam an. »Du bist auf ein abgekartetes Spiel hereingefallen. Der bärtige Mann gehört zu mir.« Alonzo Berry starrte sie ungläubig an. »Aber warum…?« Er konnte sich nicht erklären, warum dieses schöne Mädchen so etwas Abscheuliches tat.
Sie mußte süchtig sein. Drogenabhängigen ist es egal, wie sie zu Geld kommen. Sie kennen keine Skrupel, machen alles, greifen sogar zum Dolch, wenn sie mit einem Opfer allein in der U-Bahn sind.
»Okay!« keuchte Alonzo Berry. »Okay, Sie können alles kriegen, was ich bei mir habe. Aber ich werde hinterher zur Polizei gehen und Anzeige erstatten…«
»Du gehst nirgendwo mehr hin«, fauchte das Mädchen mit dem Seelendolch.
Ihm rieselte es eiskalt über den Rücken. »Sie werden doch nicht… Mädchen, machen Sie sich nicht unglücklich. Was haben Sie davon, wenn Sie mich nicht nur berauben, sondern obendrein auch noch töten? Ich… Das war vorhin nur ein Bluff. Ich werde nicht wirklich zur Polizei gehen. Nehmen Sie sich meine Brieftasche, meine Ringe, die Armbanduhr…«
Yora rümpfte die Nase. »Irdische Güter«, sagte sie verächtlich. »Dafür habe ich keine Verwendung. Sie sind vergänglich. Ich möchte etwas von bleibendem Wert von dir.«
»Und… was wäre das?«
»Deine Seele«, antwortete die Dämonin.
Und dann zuckte der Dolch vor…
***
Ich ließ mir das Geisterschiff von Mr. Silver ganz genau beschreiben. Der Ex-Dämon erklärte mir, wenn ich das Schiff auch sehen wolle, müsse ich mich voll darauf konzentrieren und fest an seine Existenz glauben.
Ich erfüllte beide Bedingungen, und ich traute meinen Augen nicht, als sich die längliche Nebelbank für mich plötzlich öffnete. Ich sah das Geisterschiff zwar nicht so scharf wie Mr. Silver, aber ich konnte doch feststellen, daß es vorhanden war.
»Es ist eine Galeere«, stellte ich fest »Die Ruder sind zur Zeit nicht zu sehen.« Das war die Bestätigung für Mr. Silver, daß ich Pan Allacs Gespensterschiff wirklich sah.
Wir hatten uns hinter einem Bootswrack verborgen. Mr, Silver trug Shavenaar, das Höllenschwert, in einer Lederscheide auf dem Rücken. Früher hätte ich diese starke Waffe mit dem gefährlichen Eigenleben nicht anfassen dürfen.
Seit ich ihren Namen kannte, waren wir einander auf eine Weise, die sich kaum erklären läßt, nähergekommen, aber eine bedingungslose Freundschaft würde daraus wohl nie werden.
Meiner Ansicht nach mußte ich Shavenaar auch weiterhin mit Vorsicht genießen. Ich konnte verstehen, daß Loxagon diese Waffe, die ihm in der Hölle zu vielen spektakulären Siegen verholten hatte, zurückhaben wollte.
Es war aber auch verständlich, daß sich Mr. Silver nicht kampflos davon trennen würde, denn dieses einmalige Schwert hatte ihm schon viele wertvolle Dienste geleistet.
Eine kleine Nebelschwade löste sich von der Nebelbank. Ich konzentrierte mich wieder und nahm im Nebel die vagen Umrisse eines Bootes wahr.
»Geisterpiraten«, zischte Mr. Silver. »Sie kommen ans Ufer.«
»Frag sie, ob sie uns mit an Bord nehmen.«
»Scherzbold.«
Lautlos schob sich das Geisterboot heran. Ich erkannte drei Gestalten darin. Sie legten an der Mole an, verließen das Boot nicht.
»Sie warten wieder auf jemanden«, bemerkte der Ex-Dämon.
»Da!« Ich zupfte ihn am Ärmel und duckte mich.
Dreißig Meter von uns entfernt näherte sich ein Mann der verlassenen Mole.
Ein Mann, aber kein Mensch , sondern ein Zombie!
***
»Alonzo Berry«, flüsterte ich.
»Peckinpah wollte auch ihn von der Polizei in Gewahrsam nehmen lassen«, sagte Mr. Silver. »Man scheint ihn weder zu Hause noch in seinen beiden Läden angetroffen zu haben.«
»Aber Yora wußte ihn zu finden«, knirschte ich haßerfüllt. »Was tun wir? Lassen wir nicht zu, daß sich Alonzo Berry an Bord des Geisterschiffes begibt? Vernichten wir ihn und die
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