123 - Piraten aus dem Jenseits
spürte, daß er schon ziemlich benebelt war, leerte er auch noch den Rest der Flasche, die er dann achtlos auf den Beifahrersitz warf.
Er sah einen Moment nicht auf die Straße. Als er den Blick dann wieder nach vorn richtete, traute er seinen Augen nicht.
Über die Fahrbahn lief ein Skelett!
***
Die Scheinwerfer erfaßten den Knochenmann, und das Licht stach durch das Gerippe. George Melase wußte nicht, was er tatsächlich sah. Daß es nicht wirklich ein Skelett sein konnte, war für ihn klar.
Jedenfalls mußte er bremsen, denn er war zu schnell unterwegs, und wenn er dieses Tempo beibehielt, überfuhr er dieses… Gerippe. Selbstverständlich reagierte er nicht so schnell, als wenn er nüchtern gewesen wäre.
Kraftvoll stieß er mit dem Fuß zu. Er drückte so fest auf das Bremspedal, daß die Räder blockierten und schrill quietschten. Gleichzeitig drehte er das Lenkrad, ohne es eigentlich zu wollen.
Das Heck schleuderte nach rechts, und es gab einen harten Laut, als die Stoßstange das rennende Skelett erwischte. Der Knochenmann wurde in vollem Lauf hochgerissen, knallte auf die Motorhaube, ein Ellenbogen schlug ein Loch in die Scheibe, dann fiel das Gerippe seitlich hinunter.
Ein heftiges, unkontrolliertes Zittern erfaßte den Mann. »O mein Gott!« stammelte er. »Großer Gott!«
Er blickte nach vorn und zurück. Niemand schien den Unfall gesehen zu haben. Ob er Fahrerflucht begehen sollte? Aber wenn diese Person wegen unterlassener Hilfeleistung starb, war er dran… Falls den Unfall doch jemand beobachtet hatte.
Ein Skelett… Wieso hatte er ein Skelett gesehen? Er öffnete mit kraftloser Hand die Tür und stieg aus. Seine Knie knickten ein. Er mußte sich an der Tür festhalten und mehrmals kräftig durchatmen.
Verflucht, er war nicht schuld an diesem Unfall, aber man würde ihm trotzdem etwas anhängen, weil er alkoholisiert war. Die Polizei würde das sofort merken.
War es nicht doch vernünftiger, sich aus dem Staub zu machen? Etwas zwang ihn, nach der Person zu sehen, die er angefahren hatte. Er hoffte, daß sie noch lebte.
Als er um das Wagenheck herumkam, schnellte ihm eine gespreizte Knochenhand entgegen. Er riß die Augen auf und schrie, wollte zurückspringen, aber da schlossen sich die Skelettfinger schon um seinen Fußknöchel.
Es war tatsächlich ein Skelett!
Der Knochenmann brachte George Melase zu Fall. Entsetzt und verstört wehrte sich Melase. Er schlug und trat nach dem Gerippe, zweifelte an seinem Verstand, brüllte um Hilfe.
Das Skelett richtete sich auf und brachte Melase mit einem Faustschlag zum Schweigen. Der Mann wagte nur noch zu wimmern, und seine Gegenwehr wurde immer schwächer.
Er befürchtete das Schlimmste. Das ist die Strafe! schrie es in ihm. Die Strafe für dein liederliches Leben! Die Hölle präsentiert dir dafür die Rechnung!
***
Wir sahen den Wagen und wußten, was passieren würde. Das Skelett kümmerte sich nicht um das Fahrzeug. Es rannte einfach über die Straße, genau vor die Schnauze des Autos. Der Fahrer bremste scharf, aber zu spät.
Der Wagen rutschte auf den Knochenmann zu. Kontakt! Das Gerippe wurde von den Beinen gerissen, und gleich darauf verschwand es. Der Fahrer stieg aus, mit sichtlich weichen Knien.
Er ging um den Wagen herum, und dann hörten wir ihn schreien. Das Skelett mußte ihn sich geschnappt haben. Wir forcierten unser Tempo. Mr. Silver packte das Gerippe, das auf dem Mann lag, und riß es zurück. Er warf mir den Knochenmann vor die Füße, und ich erledigte ihn mit einem einzigen Schuß.
Der Mann zitterte immer noch, als sich Mr. Silver über ihn beugte. Ängstlich hob er die Hände.
»Sie brauchen vor mir keine Angst zu haben«, sagte der Ex-Dämon, »Ich will Ihnen nichts tun.«
Er streckte dem Mann die Hand entgegen. Zögernd ergriff dieser sie, und Mr. Silver half ihm, aufzustehen. »Danke«, krächzte der Mann.
»Wie ist Ihr Name, Sir?«
»George Melase. Ich dachte, ich hätte einen Menschen angefahren…«
»Ihr Atem riecht nach Alkohol«, stellte Mr. Silver fest.
Melase nickte niedergeschlagen. Sein Kinn war stark gerötet, »Ich fahre garantiert nicht weiter. Ich nehme mir ein Taxi«, versicherte er uns. »Aber wie um alles in der Welt kommt hier ein Skelett auf die Straße? Noch dazu eines, das lebt! Kann ich mich auf meine Augen nicht mehr verlassen?«
»Doch, das können Sie, Mr. Melase«, erwiderte Mr. Silver, »Wir wissen auch nicht, woher es kommt«, warf ich ein. »Wir sahen und verfolgten
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