123 - Schreckens-Party bei Graf Dracula
waren in das Ende seines
Jacketts verkrallt.
Mit
aufgerissenen Augen starrten die rings um den Sarg versammelten Menschen auf
den Mann, dem ein Eichenpflock aus der Brust ragte.
Rings um den
Pflock war das Hemd dunkelrot gefärbt.
»Ein Vampir!«
schrie eine Frau und riß die Hand an ihre bebenden Lippen. »Hier hat einer
einen Vampir gepfählt.«
»Wenn der
Pflock Sie stört, Gnädigste«, murmelte der sommersprossige Ernie, »kann man dem
ja Abhilfe verschaffen. «
Betrunkene
sind unberechenbar und entwickeln dabei gelegentlich eine Schnelligkeit, die
man ihnen nicht zutraut.
Ernie beugte
sich nach vorn, und eine Sekunde sah es so aus, als würde er in den Sarg
kippen.
Mit
ausgestreckten Händen faßte er den Pflock und riß ihn dem Vampir aus der Brust.
Das ging
schnell und glatt, und Ernie hatte offenbar seinen eigenen Schwung dabei
unterschätzt, falls er zu einer solchen Feststellung überhaupt noch in der Lage
war.
Der Mann
taumelte nach hinten, hielt den Pflock, dessen vordere Spitze rotverschmiert
war, noch in der Hand, als wolle er sich an ihm festhalten.
Ernie
taumelte gegen die Schwedin, die ihn noch am Arm erwischte und dadurch
verhinderte, daß der Mann hinfiel.
In der
gleichen Sekunde, als Ernie den Boden unter den Füßen zu verlieren drohte, riß
der bleiche Vampir im Sarg die Augen auf und schnellte empor!
Die
Umstehenden schrien auf wie ein Mann, und durch die Menschen ging eine
Bewegung, wie wenn der Sturm in ein Ährenfeld bläst.
Wie vom
Katapult geschleudert, flog der vom Eichenpflock Befreite durch die Luft,
heraus aus dem Sarg und direkt in die Menschenmenge hinein, die die Totenkiste
umstand.
Die Gruppe
stob schreiend auseinander.
Der Vampir
hatte eine junge Frau angegriffen, riß sie an sich und ließ sich von der
allgemeinen Aufregung, die herrschte, nicht beeindrucken.
Die meisten
von Broumsburgs Begleitern liefen in übereilter Hast in den Weinkeller und
suchten Schutz hinter den Säulen und in den dunklen Nischen der Gruft.
Morna
Ulbrandson war sekundenlang vom Geschehen völlig isoliert, da der Betrunkene
wie eine Klette an ihr hing.
Als sie sich
endlich von ihm befreit und ihre Hände frei hatte, hielt Broumsburg sie zurück.
Er zerrte sie ins Halbdunkle, während der Vampir am Boden kniete und die Lippen
fest an den Hals seines Opfers preßte, das matt in seinen Armen hing.
»Keine Angst,
Morna!« zischte Broumsburg.
Tränen liefen
ihm aus den Augenwinkeln. Er preßte den Mund fest zusammen, um sich das Lachen
zu verkneifen. »Die Überraschung hat gesessen. Dir sage ich es, aber die
anderen sollen sich noch ein wenig graulen. Das Ganze ist natürlich nur eine
Vorstellung, eine Gaukelei.
Im Vertrauen
gesagt: ich habe für heute abend eine Schauspieltruppe hierher bestellt!
Stanko Evenn,
mein Faktotum, hat die Sache gemeinsam mit den drei Leuten eingefädelt. In den
beiden anderen Särgen liegen zwei Schauspielerinnen, sie tragen die Kleidung
von damals und haben sich ebenfalls als Vampire geschminkt. Wir wollen jene berühmt-berüchtigte
Nacht, die Schloß Kalenko für die umliegenden Ortschaften zum Schauermärchen
werden ließ, wieder zum Leben erwecken. Aufgepaßt! Gleich gehen die nächsten
Särge auf, und zwar passiert es in dem Moment, wenn meine verehrten Gäste
glauben, daß alles nur eine Clownerie ist und sie sich wieder beruhigt haben,
der nächste Schock .«
Alles
wirbelte noch durcheinander.
Außer Morna
hatte die schnell geflüsterten Worte niemand sonst mitbekommen. Ernie schien
die Aktion, die er durchgeführt hatte, die letzten Kraftreserven gekostet zu
haben.
Er konnte
sich nicht mehr aus eigener Kraft auf den Beinen halten, umschlang eine Säule,
ohne den Pflock loszulassen, und rutschte langsam daran zu Boden.
Die meisten
Begleiter Broumsburgs hatten in heller Aufregung die Gruft verlassen. Nur noch
wenige hielten sich im Halbdunkeln auf und wurden Zeuge des makabren
Schauspiels.
Broumsburg
wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. »Es gibt nichts Schöneres, als
Menschen in einer Situation zu beobachten, über die die Beteiligten außer dem
Beobachter nichts wissen. >Versteckte-Kamera-Effekte< nenne ich so
etwas.«
Plötzlich
konnte er nicht mehr an sich halten, prustete los, verbarg seinen Kopf an
Mornas Schulter, und sein ganzer Körper schüttelte sich vor Lachen.
Vorn am
Eingang, wo die beiden Wände sich angewinkelt gegenüberstanden, tauchte im
Halbdunkeln eine Gestalt auf, die wie Broumsburg in das makabre
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