1230 - Der Traumdieb
brachte. Ein prägnantes Erlebnis, das möglicherweise nur ihr bekannt war und nicht mal ihrem Mann.«
»Sie wird es uns nicht mehr sagen können, John«, meinte Bill.
»Aber«, so meldete sich Sheila, »sie könnte etwas hinterla ssen haben.«
»Was denn?«
»Ich denke da an Aufzeichnungen. Etwas Schriftliches. Möglicherweise ein Tagebuch.«
»Wäre zu schön, um wahr zu sein«, bemerkte Bill.
Sheila hatte sich an dieser Idee festgebissen. »Aber nicht unmöglich, meine ich. Wenn jemand etwas so Einschneidendes erlebt, dann muss er sich meiner Ansicht nach auch jemandem anvertrauen. Er wird sich beobachten. Ich kann mir auch vorstellen, dass sich Cora Atkins in psychologische Behandlung begeben hat, denn sie war ja jemand, der Hilfe brauchte. Sie kann sich an einen Traumexperten gewandt haben. Keiner von uns wird bestreiten, dass es solche Leute gibt - oder?«
»Kennst du einen?«, fragte Bill. »Nein.«
»Du, John?«
Ich hatte bereits nachgedacht und schüttelte den Kopf.
»Nicht, dass ich wüsste, aber ich kann mir vorstellen, dass es Menschen gibt, die in diese Richtung hin arbeiten. Es ist auch eine Sache, nach der wir uns umschauen sollten.«
Bill nickte. »Sobald ich zu Hause bin, werde ich meine Bezie hungen spielen lassen und durchforsche auch das Internet. Es ist nur eine vage Spur, aber wahrscheinlich gibt es nichts anderes, an dem wir uns festhalten können.«
»Genau«, sagte Sheila. Ich saß auf dem geschlossenen Toilettendeckel. Äußerlich war ich die Ruhe selbst, doch im Innern brodelte es schon, und ich wollte auch nicht länger sitzen bleiben.
Deshalb stand ich auf und sagte: »Ich werde mal schauen, ob der gute Murphy schon etwas gefunden hat.«
»Okay, bleib nicht zu lange.« Ich öffnete die Tür. Im Flur sah ich den Fotografen, der gerade von draußen hereingekommen war. Als er mich sah, nickte er mir zu. Er war ein hagerer Typ mit grauen Haaren, den nichts mehr erschüttern konnte.
Den Kollegen Murphy fand ich im Wohnzimmer. Er stand dort und schaute seinen Leuten zu. Über seine Hände hatte er die durchsichtigen dünnen Handschuhe gestreift.
Ich schlug einen Bogen, um die Männer nicht bei der Arbeit zu stören und stellte mich neben ihn. »Was gefunden?«
»Nein, nichts, was relevant gewesen wäre.«
»Wie sieht es im Mordzimmer aus?«
»Da sind wir noch bei der Arbeit. Wir haben Fingerabdrücke auf der Waffe gefunden, aber wie Sie schon sagten, liegt der Fall wohl klar. Die Frau hat ihren Mann eiskalt erschossen und sich dann selbst umgebracht. Wenn Sie nicht mit von der Partie wäre, würde ich von einem klassischen Motiv und auch von einer klassischen Reaktion sprechen, aber daran glaube ich jetzt nicht mehr. Ich denke vielmehr, dass Sie sich einen Wust von Arbeit aufgeladen haben.«
»Stimmt genau.«
»Und wie geht es weiter für Sie?« Mein Lächeln fiel schief aus. »Ich suche nach einem Motiv. Oder nach dem Kick, der letztendlich für diese Tat den Anstoß gegeben hat. Ich gehe davon aus, dass Cora Atkins ein Erlebnis gehabt hat, das sie an dieses schreckliche Ziel geführt hat.«
»Wie kann man das haben?« Ich deutete auf meine Brust. »Bei Cora lag es tief im Seelischen verborgen. Sie klagte über Albträume, die so schwer gewesen sein müssen, dass sie schließlich keinen Ausweg mehr gewusst hat.«
»Warum hat sie ihren Mann getötet?«
»Tja, mein lieber Murphy, das ist verdammt schwer zu sagen. Erklären kann man es auch nicht direkt. Ich bin überzeugt, dass sie ihren Mann umbrachte, aber ich kann Ihnen auch sagen, dass sie es zugleich nicht war, sondern geleitet wurde.«
Murphy sagte erst mal nichts. Dafür räusperte er sich leicht.
»Macht nichts, Kollege, ich muss mich damit beschäftigen, und ich werde es herausfinden.«
»Da drücke ich Ihnen die Daumen.«
Ich wechselte das Thema. »Gibt es hier in der Wohnung nicht auch ein Arbeitszimmer?«
»Ja, gibt es. Das ist der kleinste Raum.«
»Haben Sie den schon durchsucht?«
»Nein.«
»Dann werde ich das tun.«
»Bitte.«
Ich ließ mir von Murphy zwei dieser dünnen Handschuhe geben und streifte sie über. Ich mochte sie nicht an den Fingern, sah allerdings ein, dass sie schon wichtig waren, um keine Spuren zu zerstören.
Zum Arbeitszimmer führte die letzte Tür im Flur an der rechten Seite. Ich drückte sie vorsichtig auf, und auch hier brannte bereits das Licht, das sich durch den Zentralschalter eingeschaltet hatte.
Cora Atkins und ihr Mann Tom mussten sich das Arbeit szimmer geteilt
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