1230 - Der Traumdieb
leicht den Kopf. »Wieso sagen Sie Gäste?«
»Ich mag den Begriff Patienten nicht. Das nur zur Einführung.« Wieder lächelte er Jane an und streckte ihr die Hand entgegen. »Ich bin Dr. Barnabas Barker.«
Jane legte ihre Hand in die seine. Sie spürte den festen Druck, aber auch die Kühle, und sie stellte fest, dass der Arzt in seiner Handfläche nicht transpirierte.
»Jane Collins ist mein Name.« Er nickte ihr zu wie einer alten Bekannten. So, als hätte er ihn schon des Öfteren gehört. Dann ließ er ihre Hand los und deutete auf eine Sitzgruppe in der Ecke. Das Leder zeigte ein weiches Orange, und der Glastisch war so gut wie unsichtbar.
»Bitte, wir sollten uns setzen, Jane. So darf ich Sie doch nennen, oder nicht?«
»Ja, ja.« Sie nickte heftig. »Das ist gut.«
Als Jane sich gesetzt hatte und von dem weichen Leder beinahe umschlungen wurde, erkundigte sich der Arzt, ob er ihr etwas zu trinken anbieten könnte.
»Wenn Sie haben, dann Wasser.«
»Ich habe alles, was Sie möchten, Jane«, antwortete er etwas zweideutig.
»Danke.«
In der Nähe war die Wand holzgetäfelt. Auch dort, wo der halbrunde Schreibtisch des Arztes stand. Nur die Seite mit den Fenstern war von Holz frei. Es herrschte eine tiefe Ruhe, die einem Patienten wirklich gut tun konnte, und auch Jane fühlte sich recht wohl. Sie blickte sich in aller Ruhe um, nahm.
Einzelheiten auf und sah auch, dass auf dem Schreibtisch nicht nur der Computer stand, sondern noch ein zweiter Monitor, auf dem sicherlich keine Infos auf dem Computer zu sehen waren, eher die Bilder, die von den Kameras übertragen wurden, damit der Arzt sehen konnte, welcher Patient ihn besuchte und er sich im Voraus schon seine Gedanken machte.
Dr. Barker öffnete einen Wandschrank. Er war von innen gekühlt. Aus ihm entnahm er eine Flasche Wasser mit zwei Kristallgläsern. Er stellte alles auf ein Tablett und brachte es zu Jane Collins, die zwar weich saß, trotzdem aber eine steife Haltung ange nommen und ihre Hände flach auf die Oberschenkel der Wildlederhose gelegt hatte.
Sie hörte und schaute zu, wie der Arzt das Wasser in die beiden Gläser laufen ließ. Eines reichte er Jane, das andere behielt er selbst. »Trinken wir auf Sie, Jane.«
»Danke, danke«, flüsterte sie und räusperte sich. »Sie sind sehr nett, Doktor.«
»Bitte, sagen Sie das nicht. Ich mache mir eben Sorgen. Ich bin kein normaler Arzt.« Er trank den ersten Schluck und sprach dann weiter. »Die Menschen, die zu mir kommen, leiden nicht unter körperlichen Gebrechen und Problemen, sondern unter seelischen. Und die können oft viel schlimmer sein, auch wenn das viele Menschen noch immer nicht wahrhaben wollen. Ich aber habe es mir zur Aufgabe gemacht, den Menschen zu helfen, die eben Risse in der Seele haben und manchmal nicht mehr wissen, wie es noch weitergehen soll.«
Jane nickte. »Das haben Sie sehr gut gesagt. Es hat mir gut getan, Doktor.« Auch sie hatte getrunken und dachte darüber nach, wie sie sich jetzt verhalten sollte.
Wie gut war der Arzt? Es würde ihr nicht leicht fallen, ihn zu täuschen. Sein Blick war forschend, er drang in ihren Kopf hinein. Er war irgendwie dafür geschaffen, bis auf den Grund ihrer Seele zu blicken, und so gab sie selbst zu, dass es ihr immer schwerer fallen würde, diesen Mann zu täuschen und ihm etwas vorzuspielen, was überhaupt nicht vorhanden war.
Barker räusperte sich und hielt dabei seine Hand vor den Mund. »Ich denke, dass Sie sich soweit gesammelt haben, um mir den Grund Ihres Kommens zu erklären.«
»Das ist wahr.«
»Ich höre, Jane.«
Sie hob den Blick. »Wie viel Zeit habe ich denn?«
»Ich bitte Sie«, erklärte er fast leutselig. »Das spielt bei mir keine Rolle. Ich nehme mir für jeden Patienten die Zeit, die er braucht, damit es ihm besser geht. Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, Jane. Deshalb reden Sie.«
»Danke, dass Sie es so sehen, Doktor.« Jane feuchtete ihre Lippen an und räusperte sich. »Das Problem quält mich schon seit längerem. Ich hatte erst gedacht, dass ich allein damit fertig werden könnte, aber das habe ich nicht geschafft. Ich kam damit nicht zurecht. Es wurde schlimmer und schlimmer. Es beeinflusste mein Leben, Doktor. Es war immer vorhanden und trieb mich…«
»Pardon, wenn ich Sie unterbreche, Jane. Ich tue es nicht gern, aber diesmal muss ich Sie etwas fragen.«
»Natürlich.«
»Was genau bedrückt Sie und macht Ihnen eine so große Angst, dass Sie kein normales Leben führen
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