1231 - Im Würgegriff des Grauens
hier erlebte sie eine Düsternis, wie sie in einem tiefen Keller hineinpasste. Alte Häuser, alte Keller, die oft miteinander verbunden waren und eine Welt für sich bildeten, in der stets ein feuchter Geruch hing und die Wände oft von einer hellen Schimmelschicht überzogen waren.
In dieser Umgebung konnte man sich fühlen wie in einem großen Grab.
Es war auch nicht still. Irgendwo fiel Wasser von der Decke.
Jane und der Arzt hörten das Aufklatschen der Tropfen, aber nur Jane achtete darauf, denn ihre Nerven waren angespannt.
Zudem fühlte sie sich wie unter einem mächtigen Druck stehend.
Der Druck kam von ihrem Gegenüber. Barnabas Barker schaute sie an. Es war kein normales Anschauen. Jane überkam der Eindruck, dass sein Gesicht dabei immer weiter in den Hintergrund trat und nur die Augen stärker hervortraten.
Es waren Augen, die Jane Angst einjagten. Oder vielmehr die Blicke, mit denen sie zu tun hatte. Sie fühlte sich wie unter einem optischen Messer, das sie sezierte. Der Blick war grausam, er war kalt, aber er brachte auch eine Botschaft mit.
Du gehörst mir! Mir und keinem anderen! So schien er zu sprechen, und Jane konnte den Schauder nicht vermeiden. Sie hielt noch immer die Waffe in der rechten Hand. Die Mündung wies auf den Körper des Mannes, aber sie zeigte nicht mehr so ruhig auf die Gestalt, denn Jane konnte das leichte Zittern nicht vermeiden. Auch hatte sich zwischen ihre Hand und den Waffengriff eine Schweiß schicht gelegt, sodass sie eine gewisse Mühe hatte, die Waffe überhaupt halten zu können.
Auch ihr Herz schlug stärker als sonst. Auf der Stirn lag der Schweiß.
Dann schüttelte Barker den Kopf. Er behielt das arrogante und überlegene Lächeln bei, denn er, nicht Jane, befand sich auf der Siegerstraße.
»Du wirst ganz ruhig sein, Jane. Du wirst nichts überstürzen. Ist das klar?«
Halt dein Maul!
Sie wollte es sagen, aber sie schaffte es nicht. Ihr Mund war und blieb geschlossen. Dieser andere hatte die Kontrolle schon jetzt fast völlig über sie bekommen, und sie konnte sich auch nicht dagegen wehren, so sehr sie sich auch anstrengte.
Du musst dich zusammenreißen! Du musst dem verdammten Blick ausweichen! Du musst ihm widerstehen!
Immer wieder hämmerte sie sich diese Mahnungen ein. Aber es klappte nicht. Etwas hatte sich bereits in ihrem Kopf festgesetzt, dem sie nicht entwischen konnte.
Jane wusste, dass sie für eine Weile mal auf der Seite der Hölle gestanden hatte. Da hatte sie getan, was der Teufel gewollt hatte. Aber sie war aus dieser Klemme wieder befreit worden. Sie fühlte sich nicht mehr als Hexe, sie stand wieder voll und mit beiden Beinen im Leben, das hatte sie ihren Freunden auch oft genug bewiesen.
Aber es war trotzdem noch etwas in ihr zurückgeblieben.
Sehr leichte und latente Hexenkräfte waren ihr geblieben, die sich in Stresslagen verdoppeln und verdreifachen konnten. Hier erlebte sie eine derartige Situation, doch es klappte nicht.
Sie verlor den Kampf.
Barnabas Barker war einfach zu stark. Er glich einem Moloch, der sich nicht von seinem Weg abbringen ließ. Etwas strömte auf Jane ein. Sie unterschied nicht mal, ob es nur Worte oder Gedanken waren, mit denen sie zu kämpfen hatte.
Für sie gab es nur den Anderen, denn ihr eigenes Ich war ausgeschaltet worden.
»Willst du mich tatsächlich erschießen, Jane?«
Den Hohn in der Stimme hörte sie nicht. Sie suchte nach einer Antwort. Eigentlich war sie so leicht, doch selbst die wenigen Worte bekam sie nicht über die Lippen.
»Sag es!«, forderte er sie auf.
»Ich… ich…«, sie konnte nicht mehr.
»Los, ich will es hören. Du hältst eine Waffe in der Hand. Du hast vorgehabt, mich wieder zurückzubringen. Du wolltest nicht, dass ich weitermache. Aber das ist ein Irrtum. Mich stoppt niemand, hast du verstanden?«
»Wir gehen!«, brachte Jane hervor.
»Klar, wir werden auch gehen.«
»Wir fahren nach oben.«
Sie hörte ihn lachen, das Geräusch schnitt durch Janes Kopf.
»Was denkst du dir denn dabei, kleine Jane Collins. Hier wird das getan, was ich will, verstanden? Nur was ich will. Du bist außen vor. Du bist nur noch eine Person und keine Persönlichkeit.«
Das hast du dir so gedacht! Jane wollte es nicht. Sie war ein Mensch, der kämpfen konnte. Und sie verbiss sich praktisch in die Augen des Anderen. Sie wollte alles herausfinden und seine Reaktionen schon im Voraus erkennen.
Es war ihr nicht möglich.
Da gab es eine Sperre, die der Psychologe aufgebaut hatte.
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