1231 - Im Würgegriff des Grauens
Er kam an sie heran, aber sie nicht an ihn. Er veränderte sein Verhalten. Bisher hatte er gestanden, ohne sich zu bewegen.
Nun hob er zuerst die Schultern an und ließ die Arme danach folgen. Es sah alles so lässig aus, als könnte ihn überhaupt nichts stören.
Er schüttelte seinen Körper durch. So ähnlich wie ein Sportler, der sich noch locker machen musste. Und plötzlich hielt er etwas in der Hand, das Jane zuvor bei ihm noch nicht gesehen hatte. Sie wusste auch nicht, wo er es hervorgezaubert hatte.
Aber der Gegenstand musste wohl wichtig für ihn sein, sonst hätte er ihn nicht mit sich geführt.
Er lag noch auf seiner Hand, sodass Jane Collins ihn sich genau ansehen konnte.
Es war eine dunkle Kugel. Nein, nicht genau. Mehr ein Oval.
Ein dunkler Stein, der trotzdem glänzte, als wäre die Außenhaut mit Öl eingerieben worden.
Und Jane sah erst jetzt, dass der Tropfen an einem dünnen, aber auch sehr starken Band hing, sodass der Stein wie ein Pendel benutzt werden konnte.
Sie konnte ihn nicht daran hindern, dass er seinen rechten Arm in die Höhe streckte und dann die Hand kippte, damit das Oval aus ihr hervorrutschte.
Es fiel nach unten - und blieb in einer gewissen Höhe, praktisch vor Janes Gesicht.
Für sie wäre es jetzt an der Zeit gewesen, den Tropfen wegzuschlagen. Genau das tat sie nicht. Sie konnte es nicht, denn es war ihr nicht möglich, den Arm normal anzuheben.
Hinter dem Stein sah sie das Gesicht des anderen. Es hatte sich nicht verändert. Es war glatt bis hin zur Mundpartie. Dort wirkte es wie eine dämonische Fratze, die ihr Grinsen in der Hölle gelernt hatte.
Erneut fühlte Jane den Würgegriff des Grauens, der sie umklammert hielt. Von ihrem normalen Leben aus war sie in die Hölle gerutscht, und auch die Stimme klang für sie wie die eines Teufels und nicht wie die des Psychologen Barnabas Barker.
»Schau hin«, drang es jenseits des hin und her schlagenden Pendels hervor. »Schau genau hin, denn es gibt nichts anderes als dich, mich und das Pendel.« Den letzten Begriff betonte er besonders, damit Jane in ihrer Aufmerksamkeit auch nicht nachließ. Die Stimme klang weich, aber die Detektivin empfand sie zugleich auch als intensiv und so stark, dass ihr der eigene Wille langsam genommen wurde, sodass sie den Eindruck hatte, genau dort, wo sie stand, wegzuschwimmen.
Sie konnte der Stimme nicht entgehen. Obwohl sie gleich blieb und sich nicht veränderte, erlebte Jane sie in einer für sie erschreckenden Intensität. Auch wenn sie sich die Ohren zugehalten hätte, sie hätte sie bestimmt gehört, denn diese Stimme hatte die Angewohnheit, überall durchzudringen.
Dennoch versuchte sie es. Sie war schon immer eine Kämpferin gewesen. Sie besaß einen eisernen Willen, und genau den wollte sie gegen die andere Macht mobilisieren.
Die Detektivin befand sich nicht zum ersten Mal in einer derartigen Lage. Oft genug hatte sie die Angriffe ihrer Feinde erlebt und ihnen auch widerstanden.
Dieser Mensch hier war allerdings schlimm. Er war bösartig.
Er war ein Monster, obwohl er nicht so aussah. Sie wusste nicht genau, welche Ziele er verfolgte, aber ihr war auch klar, dass er seinen Beruf nicht ausübte, um den Menschen zu helfen. Er wollte sie an ein anderes Ziel bringen, das er bestimmte.
Trotz allem hatte Jane ihre Beretta festgehalten. Doch mit jeder Sekunde wurde die Waffe schwerer, und sie hörte sich selbst schluchzen, weil ihr allmählich klar wurde, dass sie diesen Kampf verlor.
Vor ihren Augen schlug das Pendel von rechts nach links. Ein dunkles Oval, wie eine dicke schwarze Träne, die ein Dämon auf dem Weg in die Hölle verloren hatte.
Es faszinierte sie. Jane kam nicht davon los. Sie musste den Weg einfach verfolgen. Der Stein bewegte sich ständig von einer Seite zur anderen vor ihrem Gesicht hinweg. Sie konnte ihm nicht entgehen, und es war ihr auch nicht möglich, die Augen zu schließen, obwohl sie es gern getan hätte, aber die Augen gehorchten dem Befehl nicht mehr, den ihr Gehirn an sie gab.
Und so konnte sie nur schauen und den Weg des Pendels verfolgen. Das ewige Hin und Her, die regelmäßigen Schwingungen. Mal nach links, dann wieder nach rechts, und hinter ihm hörte sie die Stimme des Psychologen.
»Du wirst in der Zukunft das tun, was ich von dir verlange. Nichts anderes wird dir mehr in den Sinn kommen. Du bist jemand, der zu mir gehört. Der an mich gekettet ist. Geistige Ketten, die nur ich wieder lösen kann. Hast du verstanden?«
Ja, ich
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