1233 - Der Kunst-Vampir
Angespannt suchte sie die Umgebung ab, ob es irgendwo jemand gab, der nur darauf wartete, dass sie unachtsam wurde.
Da war nichts zu erkennen. Auf der anderen Seite war die Dunkelheit auch ein zu guter Schutz. Sie wollte einfach nicht glauben, dass der Unhold aufgegeben hatte, denn für sie kam einfach kein anderer Angreifer infrage, als die Gestalt, die aus dem Ausstellungsraum verschwunden war.
Als Anita einen erneuten Versuch unternahm, sich aufzurichten, war Dagmar bei ihr und griff zu. Im ersten Moment wollte die Frau losschreien, dann aber sah sie, dass es ein normaler Mensch war, der sie festhielt und half, sie auf die Beine zu ziehen.
»Okay, Sie brauchen keine Angst mehr zu haben. Ich helfe Ihnen. Vertrauen Sie mir.«
Eine normale Antwort bekam sie nicht. Nur scharfe Atemzüge drangen ihr entgegen. Zum Glück hatte Anita begriffen und wehrte sich nicht. Sie ließ sich hochhelfen, und schon jetzt sah Dagmar, dass sie angegriffen worden war, denn ihr Gesicht zeigte die Spuren einer derartigen Attacke. Es blutete. Die Haut war aufgerissen, und die dunkle Flüssigkeit gab ein feuchtes Schimmern ab.
Dagmar fasste sie unter. Sie wollte weg aus der Nähe des Flusses.
»Können Sie gehen?«
»Ja.«
»Dann versuchen wir es.«
Allein ließ Dagmar die Frau nicht laufen. Sie hielt sie gepackt und schob sie neben sich her dem normalen Gelände entgegen, wo es auch etwas heller war, denn nicht allzu weit entfernt stand eine Laterne. Da wollte Dagmar nicht hin. Ihr Ziel war eine Bank ohne Rückenlehne, die unterhalb des Denkmals ihren Platz gefunden hatte. Dort konnten sie sich in Ruhe unterhalten.
Anita war froh, auf der Bank Platz nehmen zu können. Sie begann zu weinen, und sie fuhr mit den Händen durch ihr blutiges Gesicht.
Es war nicht zu erkennen, woher die Wunden stammten. Sie hätte sie sich auch durch die Dornen an irgendwelchen Büschen zuziehen können, aber daran glaubte Dagmar nicht.
Diese Frau war aus dem Hinterhalt angegriffen worden.
Beim Aufstehen hatte sie sogar noch ihre Handtasche mitgenommen. Der lange Riemen war um ihren Arm verhakt gewesen, und diese Tasche öffnete die Frau jetzt.
Mit zitternden Händen holte sie ein Taschentuch hervor und tupfte damit ihr Gesicht ab. Dabei schluchzte sie, weinte, schüttelte den Kopf. Dagmar Hansen war sensibel genug, um die Frau zunächst in Ruhe zu lassen. Sie würde später ihre Fragen stellen.
Anita war nur ein zitternd es Bündel Mensch. Der Schock des Erlebten steckte tief, aber sie wollte reden. Das tat sie, als sie das Taschentuch zusammengeknüllt wieder zurück in ihre Tasche steckte.
»Es war so schrecklich«, flüsterte sie. »Plötzlich war er da. Ich habe ihn nicht gesehen.«
»Möchten Sie jetzt darüber reden?«
Die Frau drehte den Kopf. Sie schaute Dagmar ins Gesicht und nickte. »Das will ich. Ich heiße Anita Köhler.«
»Dagmar Hansen.«
Anita zeigte so etwas wie ein Lächeln, bevor sie fragte:
»Haben Sie ihn auch gesehen?«
»Leider nicht.«
»Aber Sie glauben mir?«
»Sicher.« Dagmar nickte. »Auch wenn ich ihn nicht gesehen habe, weiß ich doch, dass es ihn gibt. Jetzt sind Sie eine sehr wichtige Zeugin. Können Sie ihn beschreiben?«
Anita hob die Schultern. »Es war so dunkel und…«
Dagmar legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Sie brauchen jetzt nichts zu sagen, wenn Sie nicht wollen. Außerdem ist es ebenso wichtig, dass man sich um Ihre Verletzungen kümmert. Das wird am besten ein Fachmann übernehmen und…«
»Es ist ja nicht so schlimm. Er hat es nicht geschafft. Er ist dann verschwunden. Es brennt nur so schlimm.« Sie deutete mit beiden Händen nach vorn. »Ich habe ihn gar nicht gesehen. Ich weiß auch nicht, woher er gekommen ist. Er war plötzlich da. Er packte mich und stieß mich vom Weg auf das Gelände zu. Dann riss er mich zu Boden, und ich konnte nichts dagegen tun. Er warf sich auf mich, ich fiel zu Boden, und dann wurde es schrecklich.«
Dagmar nahm Anitas Hand. »Was ist dann noch passiert? Haben Sie ihn erkennen können?«
Anita Köhler schwieg einen Moment. Dann fragte sie mit leiser Stimme: »Erkennen…? Ja, ich habe etwas erkennen können, aber es war grauenhaft. Das… das… ist kein Mensch gewesen. So sehen nur Monster aus.«
Dagmar wartete einen Moment, bevor sie die nächste Frage stellte. »Ist Ihnen bei ihm etwas besonders aufgefallen?«
»Ja, das Gesicht. Es… es… war so anders. Ich hatte das Gefühl, als würde es glühen. Gelbe Augen. Wie bei einem Tier. Solche habe
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