1234 - Totensuche
den Eindruck, als hätte sich die gesamte Welt gegen uns verschworen.«
»Das ist natürlich Ansichtssache«, erwiderte ich. »Aber ich gebe Ihnen Recht. Man kann hin und wieder wirklich den Eindruck bekommen, und die Menschen sind auch nicht mehr so wie noch vor den Anschlägen. Das ist zu sehen, das kann man erkennen. Da brauchen Sie nur einen Blick auf die Straße zu werfen. Aber das Leben geht weiter, und wir werden uns auch daran gewöhnen müssen.«
»Da stimme ich Ihnen zu.«
»Wunderbar. Ich bringe die Ereignisse hier auch nicht mit denen in New York zusammen, das wollte ich Ihnen auch noch sagen. Das hier ist einfach zu lokal. Zudem haben wir auch andere Feinde, die wir bekämpfen müssen, wie Sie wissen. Vergleiche ziehe ich nicht.«
Corinna Rice nickte zur Bestätigung. »Ich denke ebenfalls so. Man kann nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Aber komisch ist es schon. Ich will nicht unbedingt von einer Duplizität der Ereignisse sprechen«, sie holte tief Luft, »aber ich fühle mich schon verunsichert.«
»Wegen New York?«
»Ja, denn ich hätte die Vorgänge hier, so schrecklich sie auch sind, vielleicht etwas gelassener gesehen. Das ist nicht mehr drin. Möglicherweise auch, weil es das World Trade Center erwischt hat, was ja nun auch ein Finanzplatz war oder die Heimat der modernen Piraterie oder der alles fressenden Globalisierung wie manche behaupten. Egal, wir müssen zumindest das Problem hier in den Griff bekommen.«
»Ich denke schon, dass wir es schaffen werden.«
Corinna Rice deutete ein Lachen an, ließ es dann aber ble iben. »Wie wollen Sie das denn bewerkstelligen, Inspektor? Bitte, nichts gegen Sie persönlich, aber kann es nicht sein, dass wir auch hilflos den Problemen gegenüber sind?«
»Nein!«
Corinna Rice löste sich aus der Nähe des Fensters und setzte sich auf die Schreibtischkante. »Vergessen Sie nicht, dass wir es nicht geschafft haben, Sam Preston zu retten. Er ist tot. Er wurde gekillt. Brutal umgebracht. Und das von Feinden, die niemand von uns gesehen hat. Die auch nicht normal sind, Inspektor. Es sind keine Menschen, die wir jagen, sondern Wesen, für die ich keinen Ausdruck habe. Das heißt, ich hätte ihn schon, aber ich weigere mich einfach, daran zu glauben. Das mag für Sie schlimm sein, weil Sie anders denken, aber bei mir ist das so.«
»Geister«, sagte Suko.
»Genau! Gei…« Sie schüttelte den Kopf. »Wie ist es möglich, dass Geister morden?«
Suko zuckte mit den Schultern. »Wer wie mein Freund und ich gegen diese Personen kämpft, muss die Welt einfach mit anderen Augen sehen, und er muss sie so akzeptieren. Ich gehe einfach davon aus, dass es Geister gibt, und dass sie manchmal in unser Leben eingreifen, ob positiv oder negativ. Das ist meine Ansicht.«
Corinna Rice schaute Suko sprachlos an.
»Glauben Sie mir nicht?«
»Ich… ich«, gab sie flüsternd zu, »habe eigentlich noch nie darüber nachgedacht, wenn ich ehrlich sein will. Dazu fehlte mir auch die Gelegenheit. Es gab zudem keinen Grund, so zu denken. Das war ein Gebiet, mit dem ich mich nie zu beschäftigen brauchte. Aber jetzt muss ich wohl umdenken.«
»Nein, Mrs. Rice, dem würde ich nicht zustimmen. Ihr Leben wird sich so fortsetzen, wie Sie es gewohnt sind. Von irgendwelchen Kräften und Mächten werden Sie verschont bleiben.«
Plötzlich konnte sie wieder lachen. »Ja, Inspektor, das ist genau, was ich gedacht habe. Ich habe es mir gewünscht.«
Wieder das Lachen. Diesmal klang es bitter. »Ich will nicht sagen, dass meine berufliche Zukunft zerstört ist, aber ich werde meinen Job bei Herzberg Brothers wohl aufgeben. Sam Preston gibt es nicht mehr. Ich habe eng mit ihm zusammengearbeitet. Wir haben alles besprochen, wir waren beruflich ein Team, und das ist jetzt zerstört worden. Ich kenne eine Menge Leute in der Branche, und ich werde auch weiterhin an der Oberfläche, schwimmen, aber ich werde trotzdem eines ändern.« In ihre dunklen Augen trat ein harter Ausdruck. »Ich werde mir kein Büro mehr in einem Hochhaus suchen. So schnell wie möglich werde ich hier die Sachen zusammenpacken und dann verschwinden.« Sie nickte. »Was sagen Sie dazu?«
»Das bleibt Ihnen überlassen, Mrs. Rice. Wenn ich ehrlich sein soll, ich kann es sogar verstehen.«
»Danke, das freut mich.« Sie rutschte wieder von der Kante und breitete ihre Arme aus. »Was Sie hier sehen, ist sowieso geleast. Ich brauche nicht viel zusammenzupacken. Ein paar persönliche Dinge, das ist dann
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