1234 - Totensuche
etwas wird böse enden…«
Für mich stand fest, dass der Seelenführer genug gesagt hatte.
Hinter ihm hatte sich der Nebel bereits verdichtet, und auch in meiner Umgebung stiegen wieder die kalten Wolken in die Höhe.
Der Totenbegleiter drehte sich um und ging. Verdammt, er verließ mich, aber so hatten wir nicht gewettet. Ich war nicht eingefroren, und das würde ich ihm zeigen. Er konnte seine Morde nicht fortsetzen. Es gab die alten Zeiten nicht mehr. Die Welt und auch die Menschen hatten sich verändert, aber das hatte ich diesem Schamanen nicht klar machen können.
Ich würde es ihm sagen, denn ich wollte das Spiel nach meinen Regeln fortsetzen.
Er war langsam gekommen. Ebenso langsam zog er sich wieder zurück. Deshalb würde es für mich kein Problem werden, ihn zu stellen. Außerdem hatte ich in ihm eine feststoffliche Gestalt gesehen, die mir nicht entwischen sollte.
Mit schnellen Bewegungen umkurvte ich einige Grabsteine.
Ich verließ mich auf mein Kreuz. Es hatte bereits Lücken in den Nebel gerissen und die skelettierten Toten vertrieben. Jetzt sollte es mich auch bei diesem verdammten Seelenführer unterstützen.
Er drehte sich nicht mal um, obwohl er mich gehört haben musste. Es war ihm gleichgültig. Er gab sich sicher. Der Nebel zog sich in seiner Nähe wieder zusammen, und in seinem weißgrauen Dunst schwammen auch die skelettierten Gestalten.
Dann packte ich zu!
Nein, ich dachte, zupacken zu können. Tatsächlich aber griff ich durch ihn hindurch. Meine Hand berührte den Körper nicht.
Höchstens einen Schatten, der sich dann vor meinen Augen auflöste, als wäre ein Orkanstoß über den alten Friedhof gefahren, der nicht nur den Totenbegleiter verschwinden ließ, sondern auch die gesamte Umgebung.
Ich war nicht mehr weitergegangen. Ein paar Kältestöße packten mich noch, schüttelten mich durch. Selbst konnte ich nichts unternehmen, denn vor meinen Augen verschwand nicht nur der Nebel, auch die Grabsteine waren plötzlich nicht mehr zu sehen, und selbst die Kälte war Vergangenheit geworden.
Als ich mich umschaute, fiel mein Blick wieder hinein in die normale Umgebung. Sinnbildlich hatte ich wieder einen Schritt nach hinten gemacht und war in der Gegenwart gelandet, in meiner Zeit, die der Seelenführer so hasste.
Nur stand ich nicht mehr an der Wand. Ich war schon nach vorn gelaufen und hatte das Glück gehabt, über keinen der abgestellten Wagen zu fallen.
Etwas verwundert stand ich vor der Kühlerhaube eines Van und hörte in meiner Nähe Schritte. Bevor ich mich gedreht hatte, erreichte mich die Stimme.
»Ist Ihnen nicht gut, Mister?« Zwei besorgte Augen schauten mich an. Sie gehörten einem Mann, der elegant gekleidet war und einen kleinen Lederkoffer trug.
»Wie kommen Sie darauf?«
Er zuckte die Achseln. »Das kann ich Ihnen nicht so genau sagen, Mister. Es ist eher ein Gefühl gewesen, wenn Sie verstehen. Pardon, aber Sie machten auf mich einen leicht verwirrten Eindruck.«
»Das kann täuschen«, erwiderte ich lächelnd. »Ich war nur etwas in meine eigenen Gedanken versunken.«
»Ach ja…?« Er glaubte mir nicht so recht, aber er fragte auch nicht nach und ging weg.
Ich stoppte ihn mit einer Frage. »Sagen Sie, ist hier im Haus alles in Ordnung?«
Eine scharfe Drehung. »Ja, warum? Wie kommen Sie darauf?«
»Nur so.«
»Oder denken Sie an den Toten, den es hier im Lift gegeben hat?«
»Unter anderem.«
»So etwas kann immer passieren. Denken Sie an New York. Trotzdem, schönen Tag noch.«
»Danke, Ihnen auch.«
Er ging schnell weiter, und ich sah, dass er in einen schwarzen BMW stieg.
Es war alles in Ordnung - noch! Und ich wollte dafür sorgen, dass es auch so blieb…
***
»Ich habe Angst!«, erklärte Corinna Rice und schaute Suko dabei an. »Sogar große Angst.«
»Wovor?«
»Ja, wovor«, wiederholte sie und legte den Kopf zurück.
»Einfach gesagt, dass hier alles zerstört wird und nichts so bleibt wie es ist. Der Terror hat alles verändert. Er hat uns geschockt, er wird uns auch weiterhin schocken. Wir leben hier in den Docklands. Auch ein Produkt des Kapitalismus. Prunk und Protz. Mächtige Häuser, die hoch in den Himmel ragen. Nicht alle rentieren sich, sind belegt, aber wir bauen weiter. Schauen Sie aus dem Fenster. Nebenan befindet sich die Baustelle. Dort soll ein ebenso großes Gebäude entstehen. Ob es je verwirklicht wird, kann ich Ihnen nicht sagen. Man ist dagegen. Man möchte uns raushaben, das spüre ich. Ich habe plötzlich
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