1235 - Das Mord-Phantom
Antwort wirkte etwas gequält. »Man kann ihn nicht sehen, der Tod ist unsichtbar. Das haben die Menschen schon in früheren Zeiten gewusst, aber sie brauchten etwas, um sich ein Bild schaffen zu können, und deshalb haben sie den Knöchernen mit der Sense erfunden. Er hat die Menschheit über die Jahre hinweg begleitet, und sein Bild ist auch bis heute noch nicht ausgerottet worden. Du hast das Sinnbild erlebt, aber du hast nicht den wahren und unsichtbaren Tod gesehen.«
»Er war bei mir!«
»Das weiß ich. Man kann ihn auch als Tod bezeichnen, nur ist er das in Wirklichkeit nicht. Er ist etwas ganz anderes, Sama ntha. Er existiert, das weiß ich, aber er ist nicht der Tod, wie du ihn kennst und andere auch, das behaupte ich, und ich weiß, dass ich damit Recht habe.«
Ich hoffte, dass sie die Erklärung akzeptierte und ich sie von ihrer Vorstellung ablenken konnte, doch das war schwierig genug, denn auch ich hatte ihn gesehen. Auf dem Hausdach hatten er und Sam mich in die Zange genommen.
Es gab ihn aber wer oder was war er? Wo kam er her? War es ein Dämon? War es eine Gestalt, die man auch als einen Festkörper bezeichnen konnte? Oder war sie nur ein Spuk? Ein Phantom? Ein Geist?
Genau da war ich mir nicht sicher. Ich erinnerte mich daran, ihn nicht berührt zu haben. Möglicherweise war diese Gestalt nur ein Gespenst, das aus einer Einbildung entstanden war. Ein Geist, durch Samantha geschaffen, wie ich es schon mal erlebt hatte, als sich vier Bekannte einen Geist schufen, der später außer Kontrolle geriet.
Das konnte es auch hier gewesen sein. Dass Sam damals, als Teenager, unter einem so schweren Druck gelitten hatte, dass diese Fantasiegestalt dann tatsächlich entstanden war, und zwar nur, weil sie sie sich so direkt vorgestellt hatte.
Es war einiges möglich, doch die gesamte Wahrheit musste ich erst noch herausfinden, und das ging nicht ohne Sams Hilfe.
Zudem bestand die Möglichkeit, dass sie ein Medium war, ohne es selbst zu wissen. Sie hatte dieses Geschöpf entstehen lassen, das sich nun verselbständigt hatte und dem nachging, was eigentlich seine Aufgabe war. Dem Töten von Menschen.
Und zwar durch sie. Da brauchte ich nur einen Blick auf das Messer werfen.
Es hatte alles sehr langsam begonnen, aber jetzt, genau in dieser Nacht war der Höhepunkt erreicht, und Sams Mann schien das irgendwie geahnt zu haben.
Sie hatte lange geschwiegen, jetzt aber sprach sie mich an und sagte mit leiser Stimme, wobei sie den Kopf senkte. »Ich bin müde und möchte ins Bett…«
»Ja, das sollst du.«
Sie drehte sich um. Es war keine normale Bewegung. Alles ging bei ihr sehr langsam, als schienen schwere Gewichte auf ihren Schultern zu lasten.
Ich hatte einen Blick in ihre Augen werfen können und kein Leben darin entdeckt. Wieder wurde mir bewusst, dass Samantha einfach nicht sie selbst war und dass eine andere Kraft in ihr steckte und sie leitete. Sie würde dann genau das tun, was die andere Kraft wollte, und das musste ich verhindern.
Ich wollte auf keinen Fall, dass sie starb. Was immer sie getan hatte, sie war nicht dafür verantwortlich, aber dies einem Richter beizubringen, war sehr schwer. Zumindest würde sie sich in psychologische Behandlung begeben müssen, um ihre Qualen und Vorstellungen loszuwerden.
Zwar hielt sie noch das Messer fest, aber sie machte auf mich keinen aggressiven Eindruck, und deshalb rechnete ich auch nicht mit einem Angriff.
Samantha war wirklich müde. Ich glaubte nicht, dass sie mir etwas vorspielte. Sie stand noch immer unter dem fremden Druck, aber ich konnte mir auch vorstellen, dass dieser Druck allmählich abnahm und sie wieder in das normale Dasein zurückkehrte.
Um mich kümmerte sich Samantha nicht mehr. Sie schickte mir nicht mal einen Blick zu, drehte sich zur Seite und ging zur offenen Tür hin.
Nach ihrem Ziel brauchte ich sie nicht mehr zu fragen. Ich wusste, dass sie nach oben gehen würde, um sich in ihr Bett zu legen. Das Grauen war vorbei, jetzt kehrte die Normalität zurück. Sie würde einschlafen und ein paar Stunden später erwachen und sich möglicherweise über sich selbst wundern.
Ich blieb ihr auf den Fersen. Auch als sie das Wohnzimmer verlassen hatte, drehte sich Samantha kein einziges Mal nach mir um. Es gab jetzt nur noch sie und ihr Ziel.
Suko hatte im Dunkeln gewartet. Als Sam die erste Stufe erreicht hatte und ich mich noch im Hausflur aufhielt, löste sich mein Freund aus der Deckung und kam auf mich zu.
Ich wusste, dass er
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